in Partnerschaft mit
28.12.2000 * (FJH)
Er war nicht nur ein anerkannter Wissenschaftler, sondern auch ein stadtbekanntes Marburger Original: Am Samstag (23. Dezember) verstarb Prof.
Dieter Meurer
im Alter von 57 Jahren in Wiesbaden nach einer Operation.
Sein Jurastudium sowie die anschließende Promotion und Habilitation absolvierte der Rheinländer in Köln. 1979 nahm er einen Ruf auf den Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht an der
Philipps-Universität
an. Seither lebte der Jurist in Marburg, wo er neben seiner Hochschultätigkeit auch die Stelle als Vorsitzender Richter der Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht innehatte.
Obwohl er keiner Partei angehörte, engagierte sich Meuerer in der CDU-nahen Hochschul-Union, deren Liste im Konvent er jahrelang anführte. Zweimal war er auch Dekan des Fachbereichs Rechtswissenschaften. Ebenfalls zweimal bewarb er sich - allerdings vergeblich - um das
Amt des Uni-Präsidenten: Beim ersten Mal unterlag er
Werner Schal, im Oktober machte der jetzige Präsident
Horst F. Kern
das Rennen.
Durch solche "Misserfolge" ließ sich der lebensfrohe Rheinländer aber nicht aus der Ruhe bringen. Auch mit politischen "Kontrahenten" pflegte der Professor gute Kontakte. Als Assistenten beschäftigte er gerne aktive Vertreter linker Gruppen, da er stets geistige Auseinandersetzung suchte. Sein Humor und seine rhetorische Gewandtheit halfen ihm bei Kontakten ebenso wie seine gesellige Lebensart.
Schon früh setzte sich Meurer für interdisziplinäre Studiengänge und eine moderne Computerausssstattung des Juristischen Seminars ein. Massgeblich beteiligte er sich am Aufbau des elektronischen Informationssystems "Juris". Gleichzeitig verknüpfte der Hochschullehrer seine wissenschaftliche Arbeit mit juristischer Praxis als Richter. Einer anstehenden Berufung Meurers an den Bundesgerichtshof kam jetzt sein früher und unerwarteter Tod zuvor.
21.12.2000 * (sap)
Noch fast druckfrisch wurden die ersten Forschungsergebnisse der
Arbeitsgruppe zur "Zwangsarbeit in Marburg 1939-1945" am Mittwoch
(20. Dezember) dem Stadtverordnetenvorsteher Heinrich Löwer
überreicht. Bei der Geschichtswerkstatt Marburg e.V. hatte
die Stadtverordnetenversammlung diese Datenerhebung in Auftrag
gegeben, um bei Rückfragen über Namen und Daten von
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern in Marburg schnell
nachprüfen zu können. In enger Zusammenarbeit mit dem
Stadtarchivar Dr. Hussong erstellten Wolfgang Form, Albrecht
Kirschner und Thomas Werther von der Geschichtswerkstatt die
digitale Verzeichnung der zu Ermittelnden Daten .
Dieser Aufstellung ging eine mühevolle Forschungsarbeit
voraus.
Mit der Vermutung, alle in Marburg zu Zwangsarbeit herangezogenen
seien polizeilich gemeldet gewesen, durchforstete die
Arbeitsgruppe die Keller des Einwohnermeldeamtes. Sie musste
teilweise lange nicht mehr geöffnete Schränke
aufbrechen, um an Informationen zu kommen. Schließlich fand
sich eine sogenannte "Ausländerkartei", die sich
äußerlich und von den Namen der verzeichneten Personen
her von anderen Karteien unterschied. 690 Namen mussten hier
geprüft und ausgewertet werden. Auch Friedhofsakten
hätten sich bei der Recherche als sehr nützlich
erwiesen, ebenso wie das Archiv von Bayer in Leverkusen
Aufschluß über Zwangsarbeit bei den Marburger
Behringwerken lieferte. Für die Untersuchung von Zwangsarbeit
an der Philipps- Universität erklärte Heinrich Meyer zu
Ermgassen, man habe im Wesentlichen durch das
Geschäftsjournal des Universitätskurators die Namen von
Beschäftigten an der Universität erhalten, wobei die
Schwierigkeit hier darin lag, dass ausländisch klingende
Namen allein vor allem an der Universität noch lange kein
Hinweis auf Zwangsarbeit sein mussten.
1 704 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter konnten bis Mitte
August für Marburg nachgewiesen werden, die dem
Stadtverodnetenvorsteher überreichte Verschriftlichung ist
allerdings zunächst ein erstes Zwischenergebnis, die
Forschungsarbeit soll fortgesetzt werden. Nach diesem Stand der
Dinge waren 70,65 Prozent Männer und 29,16 Prozent Frauen in
Zwangsarbeit in Marburg beschäftigt. Das größte
Kontingent an Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern bildeten
Menschen aus der damaligen UdSSR, die Sowjets machten somit 23,2
Prozent aller Zwangsarbeitenden aus, gefolgt von Frankreich,
Italien, Polen und sonstigen Nationalitäten. In Marburg
konnte für 246 Firmen, Einzelpersonen sowie kommunale und
staatliche Stellen Zwangsarbeit nachgewiesen werden. Allein bei
der Stadt waren 240 Menschen zur Zwangsarbeit verpflichtet worden,213 Personen arbeiteten bei den Behringwerken in Marbach.
Heinrich Löwer betonte, dass die Stadt nicht vorhabe, die
Studie zu einer finanziellen Entschädigung der nach oftmals
über 60 Jahren bereits verstorbenen Menschen zu nutzen, die
in Marburg zwischen 1939 und 1945 zur Arbeit gezwungen wurden.
Vielmehr halte er es für sinnvoll, Gelder für gezielte
Programme wie die jetzt vorgelegte Datenerhebung oder
Besuchsprogramme für noch lebende ehemalige
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern aufzuwenden. Konsens
herrscht über diesen Beschluss keinesfalls, die
Geschichtswerkstatt fordert die Stadt dazu auf, für die
Zwangsarbeit im 2. Weltkrieg im wahrsten Sinne des Wortes Rechnung
zu tragen. "Der 5 Milliarden Fond deutscher Firmen soll diese
lediglich vor Sammelklagen schützen und ihr Ansehen im
Ausland wiederherstellen", meint Thomas Werther von der
Arbeitsgruppe der Geschichtswerkstatt. Schließlich habe die
Stadt Marburg umgerechnet mit über einer Million Mark von der
Zwangsarbeit profitiert. Durch einen Aufruf will die Arbeitsgruppe
das Projekt durch Zeugenberichte ergänzen, auf lange Sicht
sollen aus den Forschungsergebnissen mit Zeitzeugenberichten eine
Publikation erstellt werden.
14.12.2000 * (sfb)
(sfb)
Wer kennt das: Kühe grasen mitten im Wald auf großen Weideflächen? Wohl die wenigsten. Dass es das gibt, zeigte Uwe Kröger, Sprecher des Arbeitskreises Naturschutz des
BUND für Umwelt und Naturschutz
Marburg, in seinem Dia-Vortrag: "New Forest- 1.000 Jahre Waldweide" im Rahmen einer Vortragsreihe zum Thema "Naturschutz". Sein Referat hielt er am Mittwochabend (13. Dezember) im geographischen Institut auf eine Einladung des Fachbereichs Biologie hin.
Vor circa 50 Zuhörern gab Kröger einen Einblick in das älteste und mit 28 000 Hektar größte Beweidungsgebiet Europas, den New Forest. Der britische König Wilhelm der Eroberer begann ab 1022 Jahr die Gegend mit ihrem reichhaltigen Wildbestand für sich und seinen Hofstaat zu nutzen und als erster zu kultivieren. Seit der Säkularisierung Anfang des 16. Jahrhunderts wird das Gebiet von der staatlichen Forstverwaltung betreut.
Wie sieht diese nunmehr 1000-jährige Waldweide aus, die demnächst als Nationalpark ausgewiesen werden soll? Paradisisch, wie auf den Dias zu sehen war. Nicht nur die seltene Kombination von Offenland und uralten Laubwäldern, auch die abwechslungreichen Übergänge von unterschiedlichen Landschaftsstrichen mit ihren kleinen Seen, Mooren, Schilfzonen, Büschen oder hügeligen Ebenen, machten sie zu einer selten reizvollen Landschaft. Die Weidetiere, hauptsächlich Rinder und Pferde, aber auch Esel, Dammhirsche oder Rehe vervollständigten das bunte Landschaftsbild.
Der Grund für seine Einizigartigkeit: Der New Forest werde zum Teil der natürlichen Selbstregulierung überlassen. Neben dem optischen Reiz liege der Nutzen auf der Hand: Insekten und Schmetterlinge beispielsweise hätten auf den lichten Waldweiden besonnte Flächen, die sie zum Überleben brauchten. Andere Tiere widerum profitierten von dem naturbelassenen Dung der dort weidenden Stiere und Pferde. Bei uns h„tte der mit Chemie durchsetzte Dung allerdings zur Folge, dass der Wiedehopf und die Blauracke mittlerweile ausgestorben sind.
Allerdings seien, so Kröger weiter, der für alle Lebewesen nutzbringenden Selbstregulierung Grenzen gesetzt: Adlerfarn oder die türkische Eiche hindern am Offenhalten der für die Weidetiere wichtigen Flächen. Störende Gewächse werden deshalb auf Anweisung der staatlichen Forstverwaltung unter Einsatz von Chemikalien dezimiert. Aus dem gleichem Grund wird auch wild wuchernder Stechginster großflächig abgeflackelt.
Trotz dieser Eingriffe überwiegen die positiven Aspekte des New Forest. Da bleibt die Frage: Gibt es vergleichbare Gebiete auch hierzulande oder hält man allerorten die strikte Trennung von Wald und Weide ein? Laut Kröger, gäbe es in Süddeutschland die bekannten Allmendeweiden. Auch im nordhessischen Reinhardswald trifft man auf Waldweiden, wie aus Ergebnissen einer bundesweiten Untersuchung des BUND hervorgeht. Am Schluß seines interessanten Vortrags sprach sich Kröger für eine stärkere Etablierung des Waldweidesystem in deutschen Landen aus, um es den Menschen nahezubringen. Warum also in die Ferne schweifen?
05.12.2000 * (sfb)
Riesenschweine, eklige Krebsmäuse, ein mit Schuppenflechte überzogenes Kindergesicht - das sind Bilder der Ausstellung mit dem Titel "Morgen". Im Naturkostladen "Bio-Eck" in der Gutenbergstraße hat die
BUND -Kreisgruppe Marburg
am Montag (4. Dezember) ihre Plakatpräsentation zu Auswirkungen der Genmanipulation eröffnet. Hiltrud Breyer, Mitglied des Europa-Parlaments ist Herausgeberin der Poster, die dort noch bis zum 13. Dezember zu sehen sind.
Sie zeigen nicht nur die unheilvollen Auswirkungen von genmanipulierten Lebensmitteln auf Mensch und Umwelt; auch die marktschreierisch angepriesenen Vorteile dieser Nahrung aus dem Reagenzglas werden an Hand von wissenschaftlichen Untersuchungsergebnissen widerlegt.
So macht ein Plakat darauf aufmerksam, das Schweine mit menschlichen Wachstumsgenen zwar wesentlich mehr Fleisch produzieren, aber unter massiven Nebenwirkungen leiden. Tiere seien, so Martina Denk, Geschäftsführerin des BUND Marburg, hier keine Lebewesen mehr, sondern degenerierten lediglich zur Fabrik.
Auch der Mensch müsse durch den Verzehr von genmanipulierter Nahrung gesundheitliche Probleme befürchten.
Der Verzehr von beispielsweise Sojabohnen, Saucen oder Tofu, die gelegentlich mit Genen der Paranuß versetzt wurden, ist ahnungslosen Paranuß-Allergikern nachweislich zum Verhängnis geworden. Auch die angebliche Gefahrlosigkeit einer Aussetzung von genmanipulierten Pflanzen widerspricht den Tatsachen: Durch Ausstreuung von Pollen auf andere Pflanzen sind bereits langfristige Veränderungen in deren Stoffwechsel festgestellt worden.
Die unbestreitbaren Nachteile der Gentechnik mahnen zur Umkehr auf eine an biologischen Maßstäben orientierte Landwirtschaft, so
Alexander Müller, Landtagsabgeordneter der Grünen in Hessen.
Doch die Gentechniker scheinen von derartigen Mahnungen unbeeindruckt. Nächstes Jahr soll eine EU-Richtlinie verabschiedet werden, die eine Patentierung auf Gene, Organe und Embryonen vorsieht. Gegen diesen Gesetzesentwurf können Besucher der Ausstellung mit ihrer Unterschrift protestieren.
Außerdem können sie einen weiteren Beitrag zum Verzicht auf derartige Nahrungsmittel leisten: In Naturkostläden findet der Verbraucher ein teures, aber zuverlässiges Angebot an alternativen Ernährungsmöglichkeiten. Das sei der Grund, warum die im zwei Wochen-Zyklus wechselnde Ausstellung hessenweit in Naturkostläden zu sehen ist, so Müller. Und selbst beim Einkauf im normalen Geschäft kann der Kunde sämtliche Waren meiden, bei denen er nicht sicher ist, ob sie nicht gentechnisch verpanscht sein könnten.
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28.12.2000 by
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