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Text von Samstag, 2. November 2002


Nahost: Wer zahlt den Preis für den Frieden?

Marburg * (sts)
"Einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten kann es nur geben, wenn sich Israel aus den besetzten Gebieten zurückzieht", meinte Moshe Zuckermann, der Leiter des Instituts für Deutsche Geschichte an der Universität Tel-Aviv. Am Freitag (1. November) nahm Zuckermann im Rathaus an einer Diskussionsrunde zum Thema "Israel und Palästina - wie weiter?" teil. Auf dem Podium saßen außerdem der Politologe Omar Kamil von der Universität Leipzig und der Islamwissenschaftler und freie Journalist Jochen Müller aus Freiburg. Moderiert wurde die Runde vom Marburger Politologen Wilfried von Bredow.
Da die Diskussion innerhalb der Veranstaltungsreihe "Die neue Rolle Deutschlands in der Welt" stattfand, sollten vor allem auch Perspektiven der deutschen Außenpolitik zur Sprache kommen.
Die israelische Politik stagniert. Nur durch die Rückgabe der besetzten Gebiete, einem völligen Siedlungsstopp und die Klärung der Jerusalem-Frage kann nach Zuckermanns Ansicht ein Frieden möglich sein . Israel befinde sich an einer historischen Weggabelung. Der Rückzug aus den palästinensichen Gebieten beschwöre zwar die Gefahr eines innerjüdischen Bürgerkrieges, sei aber dennoch unumgänglich.
Deutschland könne in diesem Konflikt nur in einer Vermittlerrolle tätig werden. Die bisherigen Versuche der Einflussnahme - besonders durch Außenminister Joschka Fischer - seien ein netter Versuch gewesen, doch vergleichbar mit einer Krebsgeschwürbehandlung mit Aspirin.
Jochen Müller wies anschließend in seinem Vortrag auf die verstärkten antisemitischen Kräfte in den arabischen Nachbarstaaten Israels hin. Zwar hätten diese mehr eine Ventilfunktion, um vor eigenen Problemen abzulenken, dennoch sei die Vorstellung eines von Arafat beherrschten Palästinastaates für viele Israelis angsterfüllend. Europa war in diesem Konflikt bisher immer nur ein payer, aber kein player und sollte mehr Einfluss auf die moderaten Kräfte in den autonomen palästinensischen Gebieten nehmen , beschrieb Müller die Möglichkeiten der EU. Wie Zuckermann plädierte auch er für die Rückgabe der besetzten Gebiete, wies aber auch daraufhin, dass die aus Israel vertriebenen Araber auf ihr Rückkehrrecht verzichten müssten.
Omar Kamil meinte, dass die Araber ihren Preis für den Frieden längst gezahlt hätten. Schließlich hätten sie durch das Oslo-Abkommen von 1993 auf 75% ihres ursprünglichen Staatsgebietes verzichtet. Kamil warf der israelischen Regierung vor, ihren Zionismus ausschließlich nach Europa zu richten, statt die arabische Welt anzusprechen. Die Rechtfertigung eines Staates Israel aus religiösen Gründen oder begründet durch den Holocaust lehnte er ab.
" Es ist nicht zu verstehen, warum die Wiedergutmachung einer europäischen, speziell einer deutschen Katastrophe, im Nahen Osten erfolgen musste ", kritisierte er die Staatsgründung Israels auf palästinensischem Gebiet. Dennoch lehne er das Existenzrecht Israels nicht ab, es sei aber nur durch die reale Situation zu rechtfertigen. Genau dies müsse die israelische Regierung klarstellen.
Die Rolle der EU in diesem Konflikt sei sehr unglücklich gewesen, betonte Kamil anschließend. Demokratische Strukturen in den frühen 90er Jahren seien durch die systematische Unterstützung Arafats zerstört worden, deswegen sei es unangemessen, nun diese Strukturen in den autonomen Gebieten zu fordern. Angesprochen auf die Selbstmordattentäter, meinte Kamil, dass es hierfür keine Rechtfertigung gebe. Dieser Terror werde aber mit der Rückgabe der besetzten Gebiete auch ein Ende haben.
Zuckermann brachte am Ende die Situation noch einmal auf den Punkt: "Es gibt keine militärische Lösung dieses politischen Konflikts. Die israelische Regierung muss aufhören, die real existierenden Ängste zu instrumentalisieren und den Antisemitismus als politische Rechtfertigung für Gewaltaktionen zu nutzen." Israel sei durch einen palästinensischen Staat nicht in seiner Existenz bedroht, sondern wesentlich sicherer als momentan.
Nach der Öffnung des Podiums für Fragen aus dem Zuschauerraum entwickelte sich eine emotionsgeladene, aber kaum noch sachlich argumentierende Diskussion. Dabei wurde deutlich, dass selbst in Marburg verhärtete Fronten aufeinander treffen, die auch dem Friedensprozess vor Ort behindern.


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