Text von Montag, 18. Februar 2002
Marburg * (FJH)
"Wer sich bewegt, hat verloren." Auf diese kurze Formel brachte Andreas Bethke am Montag (18. Februar) die Begründung für das Verhalten der Deutschen Bahn AG (DBAG) beim Umbau des Marburger Haupfbahnhofs. Bei einer Pressekonferenz forderte der Vorsitzende des Landesbehindertenrates Hessen (LBR) die Bahn auf, den Bahnhof unverzüglich barrierefrei auszubauen. Seit Jahren kündigt die DBAG die Umbaumaßnahmen an. Nun sollen Pläne, den Hauptbahnhof bis 2003 zu modernisieren, wieder verschoben werden. Dagegen protestieren der Marburger Behindertenbeirat und der Landesbehindertenrat Hessen. Begänne die Bahn mit den Bauarbeiten, dann wäre sie gesetzlich zum Einbau von Aufzügen verpflichtet. Fahrgäste im Rollstuhl müssten ihren Zug dann nicht mehr durch gefährliches Überqueren der Gleise erreichen. Blinde fänden dann auch Orientierungssysteme am Bahnsteig vor, die Unfälle verhindern helfen können. Doch die Bahn bewegt sich nicht. "In Marburg leben wesentlich mehr Behinderte als anderswo", erklärte Bethke. Für den blinden Biologen ist die Verschleppung des barrierefreien Ausbaus deswegen umso ärgerlicher. Gemeinsam mit dem Behindertenbeirat und der Stadt Marburg möchte der LBR nun Druck auf die DBAG machen, behinderten Fahrgästen schnell zu ihrem Zugang zu den Zügen zu verhelfen. "In Hessen leben 10 % Behinderte", sagte Bethke, "diese Zahl steigt weiter an. Auch bei der DBAG dürfte die Zahl behinderter Fargäste in Zukunft weiter zunehmen." Michael Herbst, Sprecher der Arbeitsgruppe Bau und Verkehr des städtischen Behindertenbeirats, kritisiert das unkooperative Verhalten der DBAG-Manager. Die Stadt wäre bereit, beim Neubau des Ortenbergstegs Aufzüge zu den Gleisen mit einzuplanen. Die DBAG müsse diese aber finanzieren. Doch sie sei nicht einmal bereit gewesen, der Stadt die geplante Höhe der Bahnsteigkante nach abgeschlossenem Umbau mitzuteilen. So wisse das städtische Bauamt nicht, auf welche Höhe man Aufzüge planen müsse. Überdies sei die DBAG gesetzlich zum barrierefreien Ausbau verpflichtet, sobald sie eine Baumaßnahme beginne. Statt dessen verzögere sie den Umbau zu Lasten der Behinderten. "Behinderte scheinen bei der Bahn nicht besonders hoch im Kurs zu stehen", meinte Bethke. Immer wieder stösst er auf Probleme Behinderter mit der DBAG. Verkehrsexperte Herbst hat eine noch drastischere Erklärung für diese Schwierigkeiten: "Die Bahn ist ein so komplexes Gebilde; das haben die Manager einfach nicht im Griff!" Für ihre Baumaßnahmen erhält die DBAG Gelder des Landes Hessen. Der LBR möchte das Land nun drängen, die Vergabe weiterer Landesmittel mit Forderungen nach einem zügigen Baubeginn zu verknüpfen. Nicht nur die Behinderten hoffen, dass das Signal für den barrierefreien Bahnhof bald auf "Grün" gestellt wird. |