Text von Dienstag, 19. November 2002
Marburg * (kar)
Es sind die täglichen Kleinigkeiten wie das Durchsehen der Post oder Recherchen im Internet, die Blinden und Sehbehinderten die Arbeit erschweren. Seit Oktober 2000 haben Schwrbehinderte einen Rechtsanspruch auf Assistenz am Arbeitsplatz. Dadurch sollen sie ihren nichtbehinderten Kollegen gleich gestellt werden. 25 Monate nach Inkrafttreten des Rechtsanspruches veranstaltet der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) am Freitag (22. November) im Sorat-Hotel die zweite Fachtagung zum Thema Arbeitsplatzassistenz für Blinde. Unter der Überschrift "Arbeitsassistenz - Fortschritte, Ausweichschritte, Rückschritte" werden 80 Experten diskutieren, welche Erleichterungen das neue Gesetz gebracht hat, welche Probleme dadurch nicht gelöst worden sind und welche gar neu entstanden sind. Von zahlreichen Schwierigkeiten bei der Anwendung des Rechtsanspruchs wei&slig; Franz-Josef Hanke, freier Journalist und DVBS-Mitglied, zu berichten. So übernehmen die Integrationsämter der Länder zum Beispiel nur die Netto-Löhne der Assistenzkräfte. Die Lohnnebenkosten muss der Behinderte aus eigener Tasche draufzahlen. Angestellte, Freiberufler und Beschäftigte im öffentlichen Dienst stoßen auf unterschiedliche Hürden. Freiberufler stehen vor dem Problem, dass sie zur Aufnahme ihrer Arbeit eine Assistenz brauchen, diese aber nur bekommen, wenn sie bereits eine erfolgreiche Tätigkeit nachweisen können. Der öffentliche Dienst nutzt die neue Gesetzeslage, um aus seiner Fürsorgepflicht auszusteigen. Jahrzehntelang hat die öffentliche Hand Arbeitsplatzassistenz aus eigenem Etat finanziert. Dafür seien jetzt - so die Argumentation einiger Behörden - die Integrationsämter zuständig. Das Chaos in der Bewilligungspraxis ist für die Betroffenen ein exsistenzielles Problem. "In über 90% der qualifizierten Tätigkeiten benötigen Blinde eine Arbeitsassistenz", erläutert Hanke. Die derzeitige Praxis trage aber kaum dazu bei, die Nachteile behinderter Menschen im Beruf auszugleichen. Hinzu kommt, dass verschiedene Ämter das Gesetz unterschiedlich auslegen. Der DVBS fordert deshalb, den Rechtsanspruch durch eine bundesweite Rechtsverordnung mit verbindliche Regelungen zu untermauern. DVBS-Geschäftsführer Andreas Bethke ist sicher, dass klare Regeln mehr Arbeitsplätze für Behinderte schaffen werden. In den zuständigen Behörden treffe man leider häufig auf die Haltung, möglichst wenig Gelder für Arbeitsassistenz zur Verfügung zu stellen. Übersehen werde dabei, dass diese Mittel gleich zwei Arbeitsplätze sichern. Wie man sieht, hat der Gesetzgeber mit der Festschreibung des Rechtsanspruchs auf Arbeitsplatzassistenz nur den ersten Schritt in Richtung Gleichstellung behinderter Menschen getan. Weitere konkrete Maßnahmen sind unbedingt erforderlich. Hierüber werden die Betroffenen am Freitagnachmittag unter Moderation des Hörfunkjournalisten Rainer Witt vom Hessischen Rundfunkmit Experten diskutieren. |