Text von Montag, 1. November 2004
Prozesslawine: Von der Flugbuchung zum Prozessbetrug | ||
Marburg * (sts)
Wie der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Hurrikane auslösen kann, ist durch die Chaos-Theorie bewiesen. Wie eine Flugstornierung eine Prozesslawine auslösen kann, konnte am Montag (1. November) im Amtsgericht Marburg beobachtet werden. Die Leiterin der Orthopädie in der Klinik Sonnenblick wurde wegen versuchten Prozessbetrugs und Anstiftung zur Falschaussage mit einer Geldstrafe von 6.750 Euro bedacht. Dabei war es im Oktober 2002 ursprünglich nur um einen Betrag von 149 Euro gegangen. Soviel kostete nämlich der Charterflug, den die Angeklagte bei einem Reisebüro in Wetter gebucht hatte. Aus terminlichen Gründen musste sie allerdings den Flug stornieren und forderte anschließend ihr Geld zurück. Wie in diesen Fällen üblich, war das Reisebüro nur zur Erstattung der halben Kosten bereit. Die Angeklagte behauptete aber, dass der Inhaber des Reisebüros gegenüber der Sekretärin des Klinikums die Rückerstattung der vollen Summe zugesagt habe. In einem Gespräch der Angeklagten mit dem Reisebüro am darauffolgenden Tag wurde diese Zusage jedoch bestritten. Im Vorfeld des daraus resultierenden Zivilprozesses auf Schadenersatz soll die Angeklagte die Sekretärin massiv unter Druck gesetzt haben, damit die Zeugin die Zusage bestätige. Doch sowohl die Sekretärin wie auch der Reisebüro-Inhaber gaben vor Gericht an, dass diese volle Rückerstattung nie zugesagt wurde. Der Inhaber des Reisebüros wollte die Sache aber damit nicht auf sich bewenden lassen und erstattete Anzeige wegen versuchten Prozessbetrugs und Anstiftung zur Falschaussage. Obwohl die Angeklagte unter Tränen ihre Unschuld beschwor und ihr Verteidiger mit zahllosen - allesamt vom Gericht abgelehnten - Beweisanträgen und einem halbstündigen Plädoyer das Gericht von der Unschuld seiner Mandantin überzeugen wollte, blieb Strafrichter Jörg-Peter Taszis eisern. Er sah keinen Grund, an der Aussage der Sekretärin zu zweifeln. Die Verteidigung hatte eine Intrige gegen die - bei Teilen der Belegschaft unbeliebte - Ärztin vermutet. "Eine Kollegin, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Angeklagten stand, derart unter Druck zu setzen stellt ein ganz erhebliches Fehlverhalten dar", sagte Taszis in seiner Urteilsbegründung. Das die Lawine damit zum Stillstand gekommen ist, zweifelte sogar der Staatsanwalt noch vor seinem Plädoyer an. | ||
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