Text von Dienstag, 30. März 2004
Felix Austria: Fuchs-Wochenende in der Waggonhalle | ||
Marburg * (lyg/pm)
Das "Felix-Austria-Wochenende" findet von Freitag (2. April) bis Sonntag (4. April) in der Waggonhalle statt. Mitwirkende sind die Schauspielerin Pruniella Fuchs aus Graz ihre Freundinnen und Freund sowie das Grisette Orchester. Die Vorführungen beginnen jeweils um 20 Uhr. Am Freitag steht das Stück "Der Walzerkönig" auf dem Programm. Es ist die Liebesgeschichte einer alten Grazerin. Vom Telefonhäusl aus erzählt Rosl Grill dem jungen Fräulein Karla von ihrer großen Liebe. Bei der alten Frau dreht sich alles um den Franzl. Vor zwei Jahren hat es ihn auf dem Küchenboden hingestreckt - mitten im Donauwalzer. Dabei war er erst siebzig! Dazwischen Alltagssorgen: Mimi, das Hendl, bekleckert den Teppichboden; in der überfüllten Straßenbahn macht niemand Platz. Die Verdauung ist obstinat, der Supermarkt ein ödes Labyrinth, die Grünphase an der Fußgängerampel so kurz und die Wartezeit beim Arzt so lang. Immer wieder trägt der Dreivierteltakt ihres Jungmädchengemüts die Rosl zu ihm, ihren Franzl, dem Walzerkönig vom dritten Bezirk. In ihrem kleinen Bühnentext schwelgen die Schwestern Pruniella Fuchs und Maria Merthen in Lokalkolorit und Österreich-Klischees. In jeder Vorstellung improvisiert Fuchs neu. Mit liebevoll distanziertem Humor tastet sie die Grenze zum Kitsch ab - und da blüht Poesie auf. Am Samstag zeigen sich Fuchs und das Grisette Orchester dann mit "Wiener Melange". Wiener Rebe, Wiener Schmäh, Wiener Lieder. Sie kredenzen ihre Melange aus schaurigen, schmerzlichen, schmissigen Wiener Liedern - gewürzt mit pikanten Aperçus mit Charme und Schmäh. So rüttelt die Österreicherin am Mythos der Donaumetropole - und suhlt sich in ihm. Salonfähig ist auch der Mann am Klavier, Christoph Schmidt. Er liebt und feiert den Johann Strauss, die Sissi und den Topfenstrudel. Zum Ende des "Felix-Austria-Wochenendes" präsentieren Fuchs und das Grisette Orchester Lyrik und Kurzprosa. Unter dem Titel "Arts & Alps. Out of Innsbruck" zeigen sie steile Texte und schräge Noten. Hans - Carl Artmann ist tot: "O mein rosenfarbner Mund, wie bist mir sehr erblasset." Der Meister der dichterischen Anarchie war Mitglied der Wiener Gruppe und bediente sich der verschiedensten poetischen Formen, erfand Wörter und ganze Sprachen. Georg Paulmichl lebt: "Schwung habe ich wie ein Besenstiel." Er schwingt Feder und Pinsel in einer Behindertenwerkstatt in Südtirol und kennt seinen Wert: "Ich bin nicht behindert, ich kann reden. Meine Talente enden nie." Ist bei Artmann der Name Programm, so weiß Paulmichl: "Ich gehöre eindeutig zur Künstlerrasse." Beide setzen sich über sprachliche Normen hinweg, turnen ungeniert rechts und links des schmalen Grats zwischen Genie und Wahnsinn. Sie erklimmern bravourös den Gipfel poetischer Ekstase. Mit "Felix-Austria" zeigt die Waggonhalle zum wechselhaften Aprilanfang ein ebenso mannigfaltiges Programm von Theater über Gesang bis hin zur Poesie. Ihr Kommentar |
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