Text von Sonntag, 4. April 2004
Eruptionsgefahr: Hochhuth prophezeit Revolution | ||
Marburg * (FJH)
"Jede Zeit ist für ihre eigenen Fehler umgebungsblind", stellt Rolf Hochhuth fest. Mit seinem Stück "Mckinsey kommt" möchte der Dramatiker vor den Gefahren einer hemmungslosen Wirtschaftsweise auf Kosten der Menschen warnen. Im Theater am Schwanhof (TaSch) stellte sich Hochhuth am Sonntag (4. ApriL) den Fragen des Marburger Publikums. Am Vorabend der Matinee hatte das Stück im Beisein des Autors Premiere im TaSch. Der Name des amerikanischen Unternehmensberaters McKinsey steht bei Hochhuth als Synonym für die rücksichtslose Erhöhung der Rendite auf Kosten der Menschen. Gegen diese Diktatur des "Raubtierkapitalismus" müsse sich die Gesellschaft wehren. "Bei der Ausarbeitung des Grundgesetzes lag die Wirtschaft noch in Dreck und Scherben", erläuterte Hochhuth. Damals habe niemand in der Wirtschaft eine Gefahr für die Demokratie sehen können. So biete die bundesdeutsche Verfassung auch keinerlei wirksamen Schutz vor der Vorherrschaft des Kapitals. Dabei habe schon Reichskanzler Otto von Bismarck ein "Recht auf Arbeit" durchsetzen wollen. Sein Vorschlag sei mit einem Einspruchsrecht des Staates gegen ungerechtfertigte Entlassungen verknüpft gewesen. Diese Regelung hätte er im Reichstaag jedoch nicht durchsetzen können. Von Liberalen sei er sogar beschimpft worden, das sei "kein Sozialismus, sondern purer Kommunismus". Die Notwendigkeit eines Schutzes der Menschen vor der Allmacht der Wirtschaft leitet Hochhuth nicht nur aus dem Elend ab, das Lohn-Dumping und Massenentlassungen den Menschen zufügen; die Unternehmen bürdeten die Kosten einer "Verschlankung" durch die sogenannte "Freisetzung" von Beschäftigten in aller Regel der Allgemeinheit auf. Gegen das Diktat der Wirtschaft seien die Regierungen anscheinend machtlos. Besonders ärgert Hochhuth die Geschäftspolitik der Deutschen Bank. Im 130. Jahr ihres Bestehens habe sie das höchste Geschäftsergebnis ihrer Geschichte eingefahren und ihren Gewinn um 9 Milliarden Euro gesteigert. Dennoch habe sie 14 Prozent ihrer Beschäftigten entlassen. Nun habe sich Josef Ackermann als Vorstandsvorsitzender der siebtgrößten Bank weltweit bei Bundeskanzler Gerhard Schröder grünes Licht geholt für eine Fusion des Geldinstituts mit einer amerikanischen Bank und die Verlagerung des Firmensitzes in die USA. "Da werde ich zum Nationalisten oder Chauvinisten", empörte sich Hochhuth. "Der Schweizer Josef Ackermann verscherbelt die Deutsche Bank ins Ausland. Dabei stammt er aus einem Land, wo man mindestens 20 Jahre im Lande gelebt haben muss, bevor man auch nur einen Quadratmeter schweizerischen Boden erwerben darf!" Ausgefeilte Lösungskonzepte konnte Hochhuth nicht vorstellen. In einer radikalen Arbeitszeitverkürzung, der Gründung einer Arbeitslosenpartei oder Massenprotesten gegen Sozialabbau sieht er aber Schritte in die richtige Richtung. Gegenwehr gegen die Diktatur des Geldes sei dringend notwendig. Gewalt hält er aber nicht für die Lösung: "Ich bin kein Anhänger von Meuchelmördern." Gerade deswegen warnt Hochhuth vor der Fortsetzung der gegenwärtigen Politik. Eine "Revolution" sei unvermeidbar. Wenn sie "von oben" durch Gesetze komme, gehe sie wahrscheinlich "ohne Blutvergießen" ab. Geschehe dies nicht, dann könne es zu einer eruptiven Entwicklung kommen wie bei einem Erdbeben. Im Schloss Versailles habe niemand die französische Revolution vorausgesehen oder auch nur eine "Gassenrevolte" für möglich gehalten. Umso heftiger habe die Guillotine dann zugeschlagen. Ihr Kommentar |
© 2004 by fjh-Journalistenbüro, D-35047 Marburg