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Text von Freitag, 12. November 2004

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 Hosenfeld: Widersprüchlichkeit und Charakterstärke 
 Marburg * (sts)
Die Widersprüchlichkeit seines Lebens und seines Wesens war es, die den Theaterintendanten Ekkehard Dennewitz an n Wilm Hosenfeld faszinierte. Diese Widersprüchlichkeit hat er sich auch in Kriegs- und Propagandazeiten bewahrt. Das sei als Anzeichen für Hosenfelds Glaubens- und Charakterstärke zu werten.
Der Historiker Thomas Vogel hatte sich im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes Potsdam an die Aufarbeitung der über 1.000 Briefe Hosenfelds an seine Familie und seine zahlreichen Tagebucheintragungen gemacht. Die daraus entstandene biographische Edition mit dem Titel "Ich versuche, jeden zu retten"präsentierte er zusammen mit Dennewitz am Donnerstag (11. November) in der Buchhandlung Elwert.
Der 1895 in Mackenzell in Hessen geborene Hosenfeld rettete während des zweiten Weltkrieges als Hauptmann in Warschau mindestens 20 Menschen das Leben. Darunter befand sich auch der jüdische Pianist Wladyslaw Szpilman, der durch Roman Polanskis Film "Der Pianist" weltbekannt wurde.
Auf der anderen Seite war der Reformpädagoge Hosenfeld bereits früh der SA beigetreten, später auch Parteimitglied in der NSDAP geworden. Als Kriegsversehrter des ersten Weltkrieges vertrat er eine national-konservative Politik gegen den Versailler Friedensvertrag. In der Machtergreifung Hitlers sah Hosenfeld vor allem eine Wiedererstarkung Deutschlands. Den Ausbruch des zweiten Weltkrieges wertete der streng gläubige Katholik als göttliches Schicksal und sah sich in der Pflicht, dem Vaterland zu alter Größe und Bedeutung zurück zu helfen.
In Warschau war Hosenfeld während des Krieges als Sportoffizier und Leiter der Wehrmachtskurse zur Berufsförderung tätig. Die Gräueltaten an der Zivilbevölkerung, die Transporte in die Vernichtungslager führten dann aber zum Bruch Hosenfelds mit dem Nazi-Regime. Mit Hilfe der vielen Briefe "muss ich mir den Kummer dieses Krieges von der Seele arbeiten", schrieb Hosenfeld an seine Frau.
Untergetauchte Polen und geflohene Häftlinge stattete Hosenfeld mit falschen Papieren aus und beschäftigte sie in seiner Dienststelle. Als Vernehmungsoffizier während des Warschauer Aufstandes 1944 bewahrte Hosenfeld viele Gefangene vor der Erschießung, getreu seinem Motto "zu versuchen, jeden zu retten".
Anfang 1945 geriet Hosenfeld in sowjetische Gefangenschaft und wurde als Kriegsverbrecher zu 25 Jahren Haft verurteilt, in der er 1952 starb. "Wir haben die eigenen Ideale verraten. Nun haben wir alle die Konsequenzen zu tragen", schrieb Hosenfeld 1944. Auch er hatte diese bitteren Konsequenzen zu tragen, obwohl er seine Ideale zeitlebens bewahrt hat.
 
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