Text von Freitag, 30. April 2004
Kriminalität: Bedenklich hoher Anteil der Jugend | ||
Marburg * (vic)
"Weniger Diebstahl, mehr Gewalt und mehr Betrug" - auf diese Kurzformel brachte Kriminaloberrat Roland Fritsch die polizeiliche Kriminalstatistik 2003 für den Landkreis Marburg-Biedenkopf. Die Statistik wurde von Fritsch und Polizeidirektor Jürgen Diehl bei einer Pressekonferenz am Donnerstag (29. April) in der Polizeidirektion vorgestellt. Diehl machte zunächst einige Einschränkungen zur Verwertbarkeit der Statistik: Er wies darauf hin, dass in der Statistik die nicht verfolgten Straftaten gar nicht enthalten sind. Dadurch sei die Dunkelziffer extrem hoch. Ferner behandele die Zusammenstellung nur Verdächtige, die noch nicht rechtskräftig verurteilt seien. Insgesamt bezeichnete er das Ergebnis als "zufriedenstellend", obwohl sich die Zahl der Straftaten um 1.500 auf 13.626 im Jahr 2003 erhöht habe. Dies sei, aber so Diel weiter, kein Zeichen für eine Zunahme der Kriminalität. Vielmehr werden mehr Straftaten als früher auch wirklich angezeigt. Der Polizeidirektor zeigte sich auch über die hohe Aufklärungsrate von 60,3 % für den Landkreis höchst erfreut. Hessenweit liege die Quote mit 49,4 % erheblich niedriger. Dann erläuterte Fritsch die Statistiken näher: Diebstahlsdelikte wie Taschen- und Ladendiebstahl seien zurückgegangen. Dafür seien die Delikte im Gewaltbereich insgesamt angestiegen: Erfreulich sei dabei aber der Rückgang der Tötungsdelikte (Mord und Totschlag), die sich im vergangenen Jahr von 23 auf 13 Taten verringert haben. Die Sexualdelikte hätten aber leider zugenommen. Dies betreffe sowohl Vergewaltigungen, als auch Kindesmißbrauch und Kinderpornographie im Internet. Die Zahl der Vergewaltigungen habe sich von 22 auf 26 erhöht, doch habe in 20 dieser Fälle ein früherer Beziehungshintergrund zwischen Opfer und Täter bestanden. Fritsch betonte das der Anstieg der Sexualdelikte aber auch mit der Verschärfung des Sexualstrafrechts in Zusammenhang stehe, wonach auch die Vergewaltigung in der Ehe strafbar ist. Derartige Straftaten würden von den Opfern vermehrt angezeigt. Bedenklich zugenommen hätten auch Raub- und Körperverletzungsdelikte. Vor allem in diesem Bereich sei ein rapider Anstieg der Jugendkriminalität zu beobachten. Jugendbanden beteiligen sich vor allem an Schlägereien und Straßenraub. Den Anstieg der Jugendkriminalität führt die Polizei auch auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Jugendlichen zurück: Schlechte finanzielle Lage, Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit steigerten bei ihnen die Bereitschaft zu mehr Agressivität und Gewalt. Auch die Betrugsdelikte haben erheblich zugenommen. Das liegt ebenfalls daran, dass das "Schwarzfahren" schärfer geahndet und von den Stadtwerken Marburg (SWM) sofort angezeigt wird, erklärte Fritsch. Weiterhin angestiegen seien Kreditbetrug und Geldkartenbetrug. Auch neue Geldfälscherbanden aus Osteuropa treiben ihr Unwesen und bringen Falschgeld in Umlauf. Insgesamt zeigten sich die Vertreter der Polizei mit dem Zahlenwerk für das letzte Jahr zufrieden. Extrem beunruhigend sei aber der hohe Anstieg der Jugendkriminalität. In 31,2 % der Fälle seien die überführten Straftäter unter 21 Jahre alt, bemerkte Fritsch. Der Ausländeranteil war mit 22,1 % leicht rückläufig. Das könne sich aber nach der bevorstehenden Osterweiterung der Europäischen Union schnell wieder ändern, prophezeiten die Polizisten. In der Bevölkerung stellten die Beamten eine erfreuliche Bewußtseinsveränderung im Bezug auf Straftaten fest. So würden erheblich mehr Straftaten angezeigt als früher. Auch dies sei ein Grund für den statistischen Anstieg der Straftaten, die in der Realität aber nach Meinung der beiden Beamten gar nicht zugenommen hätten. Ihr Kommentar |
© 2004 by fjh-Journalistenbüro, D-35047 Marburg