Text von Mittwoch, 9. Juni 2004
Freifahrt futsch: Protest welle rollt an | ||
Marburg * (fjh/pm)
Eine Protestwelle gegen die geplanten Einschränkungen der Freifahrt Behinderter im Öffentlichen Nahverkehr rollt an. Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) und der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) haben bereits eine gemeinsame Stellungnahme an die Bundessozialministerin geschickt. Sie hatten informell von Überlegungen gehört, die Freifahrt Behinderter im Nahverkehr einzuschränken. Der Berliner "Tagesspiegel" berichtete am Dienstag (8. Juni) als erstes Massenmedium über das Vorhaben. Proteste von Interessenvertretungen, ja sogar von Bundespolitikern waren am Mittwoch (9. Juni) die Folge. Deutliche Worte fand der Bundesbehindertenbeauftragte Karl-Hermann Haack in einer Presseerklärung: "Durch die notwendigen Reformen der sozialen Sicherungssysteme in den vergangenen Monaten sind auch Menschen mit Behinderungen erheblich belastet worden. Eine Grenze ist erreicht. Jetzt zusätzlich Nachteilsausgleiche abzuschaffen, die schwerbehinderten Menschen mehr Mobilität ermöglichen, ist vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt und nicht hinnehmbar. " Die vorgeschlagene Neuregelung lehnt Haack daher entschieden ab. Es sei ihm "sehr wohl bewusst, dass auch aus dem Bereich Gesundheit und Soziales ein Beitrag zur notwendigen Haushaltskonsolidierung erbracht werden muss". Dies könne aber nicht allein bei Leistungen für Menschen mit Behinderungen geschehen. Eine Beschränkung der Freifahrt auf den Wohnort und die Abschaffung eines Nutzungsradius von 50 Kilometern bei Eisenbahnen schneide tiefgreifend in die Teilhabemöglichkeiten behinderter Menschen ein. Valide Daten über die Nutzung lägen nicht vor. Der Vorschlag beruhe lediglich auf Annahmen. Bevor eine gesetzliche Neuregelung eingebracht wird, sei es daher nötig, gemeinsam mit den Betroffenen darüber zu sprechen, ob und - wenn ja - in welcher Form die Freifahrtregelungen an sich verändernde Nahverkehrsstrukturen angepasst werden können. In dieser Stellungnahme sieht DVBS-Pressesprecher Michael Herbst eine gelungene Zusammenfassung jenes DBSV-DVBS-Schreibens, das Haack selbstverständlich zur Kenntnis bekommen habe. Auf einen interessanten Aspekt weist das Büro des Marburger SPD-Bundestagsabgeordneten Sören Bartol hin: "Die Umsetzung der Koch-Steinbrück-Vorschläge sieht für 2004 einen Einsparbeitrag von 9,6 Millionen Euro bei der Erstattung von Fahrgeldausfällen vor. Hinzu kommt eine Absenkung der Länderzuschüsse. Diesem Ergebnis der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss haben sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat zugestimmt". | ||
Ihr Kommentar |
© 2004 by fjh-Journalistenbüro, D-35037 Marburg