Text von Donnerstag, 25. März 2004
Salzverlust: Marburger Kinderärzte entdecken Mechanismus | ||
Marburg * (FJH/pm)
Zum erstenmal ist es einem Marburger Forscherteam als Institution der Philipps-Universität gelungen, einen wissenschaftlichen Aufsatz im führenden Spitzenjournal der Medizin zu veröffentlichen. Im "New England Journal of Medicine" ist am Donnerstag (25. März) ihre Arbeit über Salzverlust in der Niere erschienen. In einem begleitenden Editorial wird die Bedeutung dieser Fallbeschreibung gewürdigt. Mit ihr ist es gelungen, nicht nur auf der molekularen, sondern sogar auf der anatomischen Ebene ein Krankheitsbild aufzuklären. Das ausschließlich aus Kinderärzten bestehende Forscherteam um Prof. Dr. Hannsjörg Seyberth, Dr. Karl Peter Schlingmann und PD Dr. Siegfried Waldegger untersuchte mittels moderner naturwissenschaftlicher Methoden und mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) an einer - aus dem östlichen Mittelmeerraum stammenden, aber in Deutschland lebenden - Familie die Ursache des angeborenen und lebensbedrohenden Salzverlusts durch die Niere, der gleichzeitig mit einer Innenohrtaubheit einhergeht. Hierbei wurden Mutationen (Gendefekte) gefunden, die mit einem Verlust der Funktion von Chloridkanälen verbunden sind. Diese sogenannten ClC-K-Kanäle sind sowohl für den Kochsalz-Transport in den Nierenkanälchen als auch für das Kalium-Recycling im Innenohr verantwortlich. Bisher kannte man nur die Bedeutung des einen Kanals, des ClC-Kb-Kanals, für die Funktion in der Niere und für den milderen Salzverlust bei Kindern und jungen Erwachsenen, das so genannte Bartter-Syndrom. Durch den nun erstmals beobachteten zusätzlichen Ausfall eines weiteren Chloridkanals, dem ClC-Ka, entwickelt sich bereits im Mutterleib vor der Geburt des Kindes ein sogenanntes Polyhydramnion. Darunter versteht man eine krank-hafte Fruchtwasservermehrung aufgrund der Harnflut bei dem Feten. Diese setzt sich verstärkt nach der Geburt des - häufig zu früh geborenen - Kindes durch das nicht entwickelnde Hyperprostaglandinsyndrom fort und bedroht es durch den massiven Flüssigkeitsverlust. Ohne Behandlung mit Prostaglandin-Hemmer würde er schlussendlich zum Kreislaufschock des zu früh Geborenen führen . Mit dieser Erkenntnis ist es jetzt möglich, neue diagnostische und therapeutische Maßnahmen für Patienten mit dieser seltenen Krankheit zu entwickeln. Für die Gesamtmedizin aber noch bedeutsamer ist, dass mit diesem Wissen neuartige wassertreibende Medikamente entwickelt werden können, die bei der Behandlung von Wassersucht bei Herzschwäche oder auch von hohem Blutdruck bei Kochsalzeinlagerung eingesetzt werden können. Letzteres scheint besonders dann angezeigt zu sein, wenn durch eine genetische Veränderung der Chloridkanal ClC-Kb in der Niere nicht zu einem Verlust, sondern zu einer gesteigerten Funktion und damit zu einer übermäßigen Kochsalzrückgewinnung in der Niere führt. Die hierfür notwendigen grundlegenden Beobachtungen wurden zu Jahresbeginn ebenfalls bereits durch das Marburger Team in einer der renommiertesten Nierenzeitschriften publiziert. Nach den Worten von Prof. Seyberth ist jetzt zu hoffen, dass im Zuge der anhaltenden Sparmaßnahmen und der geplanten Umstrukturierungen in der mittelhessischen Hochschulmedizin diese Spitzenposition der Marburger Kinderklinik nicht gefährdet wird, sondern im Gegenteil besondere Förderung erfährt. Ihr Kommentar |
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