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Text von Donnerstag, 22. July 2004

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 Herausforderungen: Sicherheitspolitik der Zukunft 
 Marburg * (vic)
"Spätestens im Bundestagswahlkampf 2006 werden die Diskussionen über die Beibehaltung der Wehrpflicht wieder aufkommen", meint Otfried Nassauer. Wegen der veränderten sicherheitspolitischen Lage könnten derartige Überlegungen zur Abschaffung der Wehrpflicht führen.
Nassauer ist sicherheitspolitischer Berater der Grünen Bundestagsfraktion. Der Leiter des Berliner Zentrums für transatlantische Sicherheit (BITS) referierte am Mitwoch (21. Juli) im Software Center zum Thema "Neue Sicherheitspolitik - mehr als ein Schlagwort" . Er war dort auf Einladung vom Marburger "Netzwerk Sicherheitspolitik", der Arbeitskreise Sicherheitspolitik an Hochschulen (BSR) und der Arbeitskreise Strategie und Sicherheit (ASS ) zu gast.
Bei der Betrachtung der künftigen Sicherheitspolitik favorisiert Nassauer einen "erweiterten Sicherheitsbegriff". Dieser sehe neben militärischen auch zivile und präventive Maßnahmen für den Umgang mit Konflikten vor.
Hier könne man auch sehr deutlich die Interessengegensätze zwischen den USA und Europa sehen, erklärte der Friedensforscher. So geben die USA momentan militärischen Konfliktlösungen den Vorrang, während sich die Europäer eher für zivile und humanitäre Maßnahmen stark machen.
Nassauer erläuterte auch, welche Konfliktszenarien er für die Zukunft für relevant hält. Kriegerische Auseinandersetzungen in zerfallenden Staaten sowie der Kampf gegen "terroristische Bedrohungen" und der Kampf gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen seien besonders wichtig. Relevanz hätten ferner Konflikte um Ressourcen wie Wasser, Öl und Gas.
Dabei werde es zu Kriegshandlungen mit und auch ohne Mandat des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen kommen. UNO-Mandate seien zwar wünschenswert, Amerikanische Aleingänge aber weiterhin möglich, prophezeite Nassauer.
Bei Konfliktprävention und zivilem Wideraufbau seien die zivilen Missionen von UNO und OSZE weiterhin wichtig.
Auch die Bundeswehr werde nach den Worten des Politik-Beraters durch ihre Reform auf derartige Maßnahmen vorbereitet, wofür sie aber weniger finanzielle Mittel bekäme. Daher werde sie in 10 bis 12 Jahren nur noch 150.000 Soldaten umfassen, so die Prognose des Experten.
Er schlug vor, die Bildungsstandards in der Bundeswehr zu erhöhen, um das Verständnis der Kulturen in den Einsatzgebieten zu verbessern.
Nassauer sprach sich auch für die unbedingte Trennung der Aufgaben von Militär und Polizei aus. Die bedenklichen Tendenzen einer Privatisierung von militärischer Gewalt, die auf internationaler Ebene durch Wirtschaftsunternehmen und andere Organisationen forciert werden, dürften nicht übernommen werden. Die interne Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr, Polizei und den Geheimdiensten müsse aber verbessert werden.
Auch für internationale Organisationen mahnte Nassauer Reformen an. So müsse das Vetorecht der ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat auf den Prüfstand gestellt und durch andere Abstimmungsmodelle ersetzt werden. Ferner müsse die Gemeinsame Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, deren Umsetzung bisher schleppend verlaufe, weiter vorangetrieben werden.
Trotz ihrer häufig entgegengesetzten Interessen seien Europa und die USA zur weiteren konstruktiven Zusammenarbeit gezwungen. Das zeigten schon die aktuellen Beispiele von Afghanistan und dem Irak.
Die Europäer werden um eine Beteiligung am Wideraufbau im Irak, an dem sie bisher nicht beteiligt seien wie in Afghanistan, nicht herumkommen, meinte Nassauer abschließend.
 
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