Text von Sonntag, 20. Februar 2005
Turandot: Persisches Märchen ohne Zauber | ||
Marburg * (atn)
Ein modern eingerichtetes Caf&eakute; blickt dem gespannten Zuschauer hellgrün und kühl entgegen. Zwei verwahrloste Männer hängen auf ihren Stühlen, ein Kellner trödelt sich durch seine Pflichten, die Flimmerkiste an der Decke berieselt die Szene mit Belanglosem. So begann am Samstag (19. Februar) die Premiere des Stückes "Turandot". Das Hessische Landestheater zeigte das tragikomische Märchen von Friedrich Schiller nach einer Vorlage des Italieners Carlo Gozzi. Schiller hat das 1762 in Venedig uraufgeführte Stück des in Deutschland damals hochgeschätzten Italieners für das deutsche Theater bearbeitet, erweitert und viele Dialoge neu geschrieben. Es erzählt die Geschichte des enterbten und entwurzelten Prinzen Kalaf, gespielt von Markus Klauk. Er wirbt um die Kaisertochter Turandot, die von Barbara Schwarz dargestellt wird. Sie hält sich potenzielle Ehemänner durch Rätsel fern: Nur wer drei Rätsel löst, darf sie heiraten. Wer dieser Prüfung nicht gewachsen ist, wird enthauptet. So mussten schon viele Bewerber ihr Leben lassen. Doch Kalaf berührt das eisige Herz der Prinzessin und löst obendrein noch ihre Rätsel. Der gesamte Hofstaat ist entzückt, der Kaiser froh, den jungen Mann gerettet zu sehen, doch Turandot bittet um Aufschub. Nun muss sie des Prinzen Namen und Herkunft erraten, um sich vor den von ihr verhassten Fesseln der Ehe zu schützen. Der in Leipzig ausgebildete und in Berlin lebende Regisseur Thomas Roth sieht in diesem Märchenstoff einen "ästhetischen Protest gegen bestehende Verhältnisse". So hat er die Handlung in einen imaginären islamischen Staat verlegt. Gefangene mit einem Sack über dem Kopf und deren Bewacher mit Sonnenbrille - beide gesichtslos - erinnern an die jüngsten Nachrichten aus dem Irak. Den Handlanger des Kaisers sieht man bisweilen gar als zweiten Sadam Hussein über die Bühne stolzieren. Schwarz füllt die Rolle der Turandot sehr überzeugend aus. Die Motive der Prinzessin kommen jedoch nicht zum Ausdruck. Führt sie den Kampf einer Feministin um Selbstbestimmung? Sind die Rätsel Ausdruck ihrer Klugheit? Oder ist sie eine Gefangene ihrer selbst, eine narzisstische Persönlichkeit, gefährlich, aber noch nicht erwachsen? Das Stück dauerte knapp zweieinhalb Stunden und endete abrupt, doch scheinbar zu jedermanns Zufriedenheit. Wer sich den Zauber eines persischen Märchens gewünscht hatte, wurde von dieser Inszenierung aber enttäuscht. Das Thema, Liebe bekennen, sein Ich finden, sein Ich dem anderen hingeben, ging in den lautstarken Rollen der 13 Schauspieler beinahe unter. Etwas steif, pedantisch, ohne viel poetisches Leben und Feingefühl geschweige denn Herzblut wurde der Stoff dem Publikum präsentiert. Die Bühnengestaltung und auch die musikalische Untermalung von Claude Chassevent waren jedoch durchaus ansprechend. Einige Lacher belohnten besonders komische Szenen. So bekamen die angestrengt und nicht ganz zufrieden wirkenden Schauspieler am Ende einen langen und doch verdienten Applaus. Der Theaterabend war dennoch durchaus interessant, wenn man sich auf das Neue einließ. Die Frage ist jedoch, ob man klassischen Stoff nicht lieber klassisch inszenieren sollte, um der Form des Märchens gerecht zu werden. Roths Darstellung wirkte etwas plump und vordergründig, um nicht zu sagen oberflächlich. Leise Töne hätten die Botschaft bisweilen besser transportiert und einen angenehmeren Klang in den Ohren des Publikums hinterlassen. | ||
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