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Text von Donnerstag, 6. Januar 2005

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 Schwarz und Weiß: Südafrika überwand Rassentrennung 
 Marburg * (atn)
Rassismus nagt nach wie vor an Herz und Verstand. Das Thema sorgte am Mittwoch (05. Januar) auch im Caf‚ am Grün für hitzige Diskussionen.
Der Politikwissenschaftler Klaas Kunst und der Student Naakow Grant-Hayford von der UN Society Marburg sprachen im Rahmen der Reihe "Zwischen Vernunft und Barbarei" über die Nation Südafrika. Der Titel des Abends, "Rasse, Blut, Boden und Armut: Elemente eines Regenbogens", versprach einen weitreichenden Blick über die Geschichte und Struktur des Landes am Kap der guten Hoffung, das nach einer wechsel- und leidvollen Geschichte heute ein Aushängeschild der Toleranz ist.
Kunst bombardierte seine geduldigen Zuhörer anfangs mit Daten und Fakten, die Aufschluss über die Bevölkerung und die Geschichte Südafrikas gaben. Von den 44 Millionen Einwohnern sind etwa 75 Prozent Schwarzafrikaner, 14 Prozent Weiße. 8 Prozent der Einwohner Südafrikas sind Mischlinge und 3 Prozent Asiaten. Die Schwarzafrikaner gehören neun Volksgruppen an, von denen die Zulu als größte etwa 20 Prozent der Gesamtbevölkerung stellen. Buren, was niederländisch ist und Bauern bedeutet, sind Weiße, die von niederländischen, französisch.hugenottischen und deutschen Einwanderern abstammen und Afrikaans - Küchenholländisch - sprechen. Sie stellen heute mehr als die Hälfte der weißen Minderheit in der Republik Südafrika. Bis vor kurzem waren sie die beherrschende politische Gruppe.
Die Beziehungen zwischen der von Briten gekauften und besetzten Kapkolonie und den Buren-Republiken waren gespannt. 1912 schlossen sich schwarze afrikanische Führer zu einer Organisation zusammen, aus welcher der Afrikanische Nationalkongress (ANC) hervorging.
Die Nationalpartei, die 1914 gegründet worden war, siegte bei den Wahlen 1948. Daraufhin begann eine strikte Apartheidpolitik, durch die die "Rassen" wirtschaftlich, politisch, räumlich und sozial getrennt wurden. Der Widerstand der Schwarzen gegen die Apartheid, der gewaltfrei begonnen hatte, führte zu zahlreichen Zusammenstößen und vielen Toten. Nach blutigen Auseinandersetzungen in Sharpeville 1960 rief die Regierung den Notstand aus.
Politische und wirtschaftliche Sanktionen führten ab 1989 zu einer allmählichen Abschwächung der Apartheidpolitik. Der Reformer Frederik Willem de Klerk begnadigte 1990 Nelson Mandela und trat mit dem ANC in Verhandlungen ein. Aus den ersten freien Wahlen im April 1994, an denen sich beinah 90 Prozent der Bevölkerung beteiligten, ging der ANC als deutlicher Sieger hervor. Mandela wurde am 10. Mai 1994 zum ersten farbigen Präsidenten Südafrikas ernannt.
Die neue Verfassung des Government of National Unity (GNU) gilt als eine der liberalsten der Welt. Die Gleichstellung der verschiedenen ethnischen Gruppen, von Frauen und Männern sowie soziale Gerechtigkeit gelten als vorrangige Ziele. Meinungs- und Religionsfreiheit werden garantiert, die Gewaltenteilung ist festgeschrieben. Diese Verfassung glättete die Republik so, dass es nicht mehr zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kam.
Im Anschluss an diese Zahlenflut ging Grant-Hayford den Motiven und Intentionen der Umwälzungen auf den Grund. Wieso beginnt plötzlich eine Gruppe, die von der Apartheid überzeugt war, damit, das System zu reformieren? Südafrika befand sich zu Beginn der Transitionsphase am Rande des Staatszerfalls. Internationale Sanktionen brachten 600 Unternehmen dazu, das Land zu verlassen. Da Südafrika selbst keine verarbeitende Industrie besaß und es keine Kredite mehr gewährt bekam, schwand der Wohlstand stetig. Auch den wohlhabenden Weißen rann er wie Sand zwischen den Fingern hindurch. Von den Reformen erhofften sie sich, retten zu können, was noch zu retten war. So stand die Wahrung des ökonomischen und politischen Besitzes auch groß auf den Fahnen der Reformer.
Im Anschluss an diese Ausführungen wurde noch über die Aufarbeitung der Straftaten in der Zeit der Apartheid und die Schrecken der Immunschwächekrankheit AIDS gesprochen.Der nicht immer ganz hieb- und stichfeste, aber sehr engagiert Vortrag brachte den aufmerksamen Zuhörern etwas mehr Verständnis für politische Zusammenhänge und historische Entwicklungen in Südafrika. Es zeigte sich einmal mehr, dass es sich lohnt, sich intensiv und kritisch mit fern scheinenden Geschehnissen und Nationen zu befassen. "Rasse" blieb jedoch den ganzen Abend über ein seltsam störender Begriff, an dem sich die Geister rieben wie die Zunge am hohlen Zahn.
 
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