Text von Sonntag, 13. November 2005
Sieg der Fürsorge: Demenzkranke verhungern lassen? | ||
Marburg * (fjh/pm)
Soll man den "Willen" des Kranken akzeptieren und ihn verhungern lassen? Diese Frage behandelt eine Veranstaltung der Stabsstelle Altenhilfe des Landkreises Marburg-Biedenkopf zur Ernährungstherapie Demenzkranker am Mittwoch 23. (November). Gewichtsverlust gehört zu häufigen Begleiterscheinungen der mittelschweren und schweren Demenz. Da bereits Gewichtsverlust von 5 Prozent jährlich mit einer erheblichen Zunahme der Sterblichkeit verbunden ist, überrascht es nicht, dass Auszehrung und Austrocknung zu den häufigsten Todesursachen der schwer Demenzkranken gehören. Trotz ausreichender Energiezufuhr von 2.000 Kilokalorien am Tag entsteht bei diesen Patienten durch Bewegungsdrang und stereotype Handlungen ein Gewichtsverlust. Nur in Ausnahmefällen gelingt es den Energiebedarf durch übliche Speisen zu decken. So kommt es zu erheblichen Mangelzuständen, die letztlich auch für schlechte Wundheilung und die Entstehung von Geschwüren verantwortlich sind. Um den Demenz-Patienten zusätzliches Leid zu ersparen, ist es unbedingt notwendig, schwere Demenz als konsumierende Erkrankung zu betrachten und Ernährungstherapie ohne oder mit der sogenannten PEG-Sonde durchzuführen. Ernährung durch eine PEG-Sonde ist aber nur in seltenen Fällen und nur kurze Zeit notwendig. Bereits nach wenigen Tagen können die meisten Demenzkranken mit einer PEG-Sonde wieder selbst essen. Dieses Thema bringt Ärzte, Pflegende und Angehörige nicht selten in tiefe moralische und ethische Konflikte. Darüber referiert Dr. Jan Wojnar aus Hamburg. Er ist Leiter der ärztlichen Betreuung Demenzkranker von "Pflegen und Wohnen". In dieser Funktion ist er an der Entwicklung neuer Betreuungsmodelle für Demenzkranke und andere psychisch kranke Pflegeheimbewohner beteiligt. Wojnar ist Mitglied der Sachverständigenkommission der Bundesregierung zur Erstellung des Vierten Berichts zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland. Der Fachwelt ist er zudem durch zahlreiche Veröffentlichungen bekannt. Die Veranstaltung findet am Mittwochabend von 20.00 Uhr bis 21.30 Uhr in der Kreisverwaltung in Marburg-Cappel statt. Eingeladen sind alle, die in den Bereichen Pflege und Gesundheit sowohl auf Träger- und Leitungsebene als auch in der täglichen Beratungs-, Betreuungs- und Pflegepraxis engagiert sind sowie Angehörige, die in der häuslichen Pflege mit Entscheidungen und Konflikten zur "künstlichen" Ernährung konfrontiert werden. | ||
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