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Text von Samstag, 14. Mai 2005

> b i l d u n g<
  
 Vergebliche Vorsorge: Die Gesellschaft muss umdenken 
 Marburg * (sts)
"Wir können noch so viele Präventionsprogramme auflegen und durchführen, olange die Kinder jeden Tag drei Stunden fernsehen und Werbung für ungesunde und überflüssige Produkte konsumieren, wird das alles nichts bewirken", merkte Prof Dr. Gerhard Stemmler aus dem Publikum kritisch an. Er ist Dekan des Fachbereichs Psychologie der Philipps-Universität.
Zum
Abschluss des interdisziplinären Symposiums zur Adipositas-Prävention diskutierten am Freitag (13. Mai) Experten im Dekanatssaal der Psychologischen Fakultät.
In Deutschland sind etwa 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen übergewichtig oder adipös (fettleibig). In Hessen sind es laut Schulärztin Andrea Schroer vom Kreisgesundheitsamt Marburg-Biedenkopf etwa 10 Prozent.
Übergewicht erhöht auch bei Kindern das Risiko für die Entstehung einer Vielzahl von Erkrankungen wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Problemen. Daneben spielen häufig auch soziale Diskriminierungen und Stigmatisierungen adipöser Kinder eine wichtige Rolle.
Das Symposium sollte danach fragen, wie der "wissenschaftliche Fortschritt bei Übergewicht und Adipositas politisch und gesellschaftlich umgesetzt werden kann", beschrieb die Leiterin der interdisziplinären Nachwuchs-Forschergruppe Adipositas Dr. Anja Hilbert das Ziel der Veranstaltung.
"Wir finden gesundheitsbewusstes Leben doof", meinte Landtagsabgeordneter Dr. Thomas Spies und sprach damit die fehlende gesellschaftliche Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der Problematik etwas salopp an. Er lehnte bundesweite Kampagnen ab und forderte stattdessen "die Konzentration auf einige sinnvolle Kleinprojekte".
Auch Ministerialrat Dr. Christian Luetkens vom Hessischen Sozialministerium monierte falsche gesellschaftliche Prioritäten: "Wir geben Unsummen für fiktive Gefahren wie Pockenangriffe oder Grippe-Pandemien aus. Dabei ist heute Hepatitis B ein wesentlich größeres Problem als Aids".
Auf Stemmlers Einwand ging Dr. Johannes Hebebrand von der Universität Essen-Duisburg ein. Das Fernsehen müsse zurückgedrängt werden, doch die Lebensmittelindustrie solle als Partner gewonnen werden. Ziel könnte eine finanzielle Beteiligung der Industrie an Präventionsprogrammen sein.
Gründe für das Übergewicht bei Kindern sind aber nicht nur Bewegungsmangel und falsche Essgewohnheiten, sondern auch bestimmte Umwelteinflüsse.
"Das Wohnumfeld ist eng mit Übergewicht verknüpft, beispielsweise bei der Frage: Wie weit ist der nächste Spielplatz entfernt", stellte Diplom-Theologe Jens Ried einen nicht unmittelbar erkenntlichen Zusammenhang vor. Oft könnten mit relativ einfachen Maßnahmen in diesem Bereich gute Ergebnisse erzielt werden, ergänzte Hilbert. Ein positiver Effekt sei schon gegeben, wenn die Kinder statt Limonade künftig Wasser als Durstlöcher tränken.
Einigkeit in der Expertenrunde herrschte darüber, dass das Gesundheitsproblem der Adipositas nur dann lösbar sei, wenn verschiedene Disziplinen zusammenarbeiten würden. Ohne ein gesamtgesellschaftliches umdenken und Problembewusstsein werdenaber auch künftige Präventionsprogramme kaum nachhaltige Wirkung zeigen
 
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