Text von Sonntag, 12. November 2006
Amtliche Literaten: Toptas und Hilsenrath lesen | ||
Marburg * (fjh/pm)
"Die Schattenlosen" heißt das neueste Buch von Hasan Ali Toptas. Der türkische Autor stellt sein Werk am Dienstag (14. November) um 20 Uhr im Café Mocca am Pilgrimstein vor. Einen Tag später liest Edgar Hilsenrath im Kulturladen KFZ aus seinem Roman "Nacht". "Hasan Ali Toptas ist einer der wenigen Meilensteine der türkischen Literatur der letzten 25 Jahre", meinte die Literaturwissenschaftlerin Yildiz Ecevit. Seine Biografie lässt dies zunächst nicht vermuten: Er ist ein introvertierter Schriftsteller, der am Rande der Metropole Ankara lebt. Er ist ein Literat, der immer nur schreiben will und die Routine eines Beamten-Lebens mit dem Schreiben von Romanen durchbricht. "25 Jahre meines Lebens verbrachte ich in Provinzstädten. Das Schreiben an diesen Orten ist schrecklich. Es ist die Einsamkeit in der Einsamkeit. Vielleicht hat mich die Wucht der Einsamkeit, die ich in diesen Kleinstädten erlebt habe, vollkommen in die Welt der Buchstaben getrieben", erläuterte er. Toptas wurde 1958 in einer kleinen Industriestadt im Südwesten der Türkei als Sohn eines Chauffeurs geboren. Er besuchte das Gymnasium, die höhere Berufsschule und absolvierte seinen Wehrdienst. Toptas arbeitete als Gerichtsvollzieher und ist heute Beamter im Finanzministerium in Sincan/Ankara. Nach vielen Kurzgeschichten erschien 1987 sein erster Erzählband "Persönlichkeit des Lächelns", der so oft abgelehnt wurde, dass Toptas das Buch schließlich auf eigene Kosten drucken ließ. 1994 folgte die schlagartige literarische Anerkennung mit dem Roman "Die Schattenlosen". Viele Auszeichnungen folgten. Toptas wurde als herausragendes Erzähl-Talent der neuen türkischen Literatur gefeiert. 2006 wurde er mit dem Orhan-Kemal-Preis ausgezeichnet. Dieser Preis ist einer der angesehensten Literatur-Preise der Türkei, den vor Toptas schon Orhan Pamuk erhalten hatte. Hasan Ali Toptas gilt als urwüchsiges Erzähl-Talent. Er besitzt eine magische Beziehung zur türkischen Sprache, der er in seiner klaren Prosa poetische Qualitäten abzugewinnen vermag. Bisher hat er drei Sammelbände mit Kurzgeschichten und vier Romane veröffentlicht. Seinen Holocaust-Roman "Nacht" stellt Eddgar Hilsenrath am Mittwoch (15. November) um 20 Uhr im KFZ vor. Es war sein erster Roman. Er schildert den Überlebenskampf zweier junger Menschen in einem rumänischen Ghetto. Das Buch war ebenso wie Hilsenraths zweiter Roman "Der Nazi & der Friseur" ein Welt-Erfolg und muss nach Meinung von Kritikern unter die bedeutendsten Werke der deutschen Nachkriegs-Literatur gerechnet werden. In Dantes Inferno geht es nicht höllischer zu. Zum Wolf gewordene Menschen schlagen sich für eine verfaulte Kartoffel, kämpfen brutal und gerissen um einen elenden Schlafplatz. Ein Jude aus Deutschland beschreibt so, was er als Halbwüchsiger im Zweiten Weltkrieg in einem rumänischen Ghetto erlebt hat. "Wenn der erschütterte Leser Edgar Hilsenraths Ghetto-Roman 'Nacht' aus der Hand legt, ist er ein anderer geworden. Nur der verblendete, stumpf gebliebene oder brutale Verächter des Leidens kann dieses Epos des Grauens hinnehmen, ohne bis ins Innerste von der Heimsuchung betroffen zu sein. Es ist das Erstaunlichste an diesem Buch, dass es trotz der romanhaften Handlung alle Fakten eines Dokumentar-Berichtes von nie gekannter Furchtbarkeit und Endgültigkeit vorweist", schrieb Peter Jokostra dazu. | ||
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