Text von Dienstag, 16. Mai 2006
Demo verschwiegen: Rundfunk in schlechter Verfassung | ||
Marburg * (fjh)
Medienschelte ist unter "Linken" recht beliebt. Häufig ist sie Ausdruck der Verärgerung des Kritikers, die eigenen Positionen in seiner Zeitung, dem Radio oder Fernsehen nicht ganz genauso wiederzufinden, wie er sich das wünscht. Oft ist diese Kritik völlig ungetrübt von Kenntnissen über Struktur und Funktionsweise der Medien. Doch gerade wenn man sich die Bedingungen genauer anschaut, unter denen Medien heute arbeiten, dann vertieft das die Sorge um die Zukunft beträchtlich. Der Sozialstaat könne so nicht mehr aufrechterhalten werden, meinen viele. Ungeprüft plappern auch gestandene Redakteure nach, was ihnen interessierte Kreise da vorgaukeln. Gezielte Kampagnen überhäufen die Presse mit derartigen Positionen, die sie widerspruchslos weiterverbreiten. Viele Verantwortliche denken nicht darüber nach, wie sie sich so zu Erfüllungsgehilfen bestimmter Interessen machen. Auch nehmen einige Journalistinnen und Journalisten nicht einmal mehr die Verfassung ernst. Darin sind sie den Politikern hinterhergedackelt, die diese Begrenzung ihrer Macht nicht akzeptieren wollen. War bei der ersten Blockade-Aktion von Marburger Studentinnen und Studenten auf der Stadtautobahn B3A am Donnerstag (11. Mai) noch eine schnelle Berichterstattung im Hessischen Rundfunk (HR) zu hören gewesen, so wurde die zweite Blockade einen Tag später im HR einfach totgeschwiegen. Dabei hat sie die Marburgerinnen und Marburger wesentlich mehr bewegt als die erste, kreiste doch der Polizei-Hubschrauber am Freitag (12. Mai) gut zwei Stunden lang im Tiefflug über der Stadt! Proteste gegen diese "innere Zensur" prallen jedoch wirkungslos ab: Einerseits stellt der HR Anrufer nicht zu den verantwortlichen Redakteuren durch, sondern speist sie mit geschulten Telefonistinnen an seinem "Hörertelefon" ab. Andererseits hatte der hessische Ministerpräsident Roland Koch sich den Rundfunkrat des HR schon kurz nach seiner Machtübernahme in die Tasche gesteckt, indem er ihn durch zahlreiche Verbündete wie Repräsentanten der Vertriebenenverbände und andere reaktionäre Kräfte aufgebläht hatte. Nicht nur damit ist er dem Prinzip des römischen Diktators Gajus Julius Caesar gefolgt. Auch dessen Motto "Panem et Circenses" praktiziert der CDU-Politiker in Hessen, indem er den Informationsgehalt des HR immer weiter herunterkocht. Selbstverständlich ist in diesem regierungstreuen Rundfunk dann auch keine Rede vom Verfassungsbruch, den die hessische Landesregierung mit der geplanten Einführung von Studiengebühren begeht. Der Abbau von 1.400 Stellen am Universitätsklinikum Gießen und Marburg ist dem HR auch kaum der Rede wert. Ohnehin zählt für die HR-Verantwortlichen scheinbar nur Frankfurt und höchstens noch Wiesbaden. Eigentlich müsste der Sender deshalb ehrlicherweise "Radio Frankfurt und Vororte" heißen. Vielen stinkt das längst: Die Abwanderung von Hörern ist beim ersten Hörfunkprogramm des HR dramatisch. Doch scheint auch das kaum zu kümmern. Inzwischen kursieren ernst zu nehmende Gerüchte, der Sender wolle aus dem Informationsprogramm HR 1 einen "Oldy-Kanal" machen. Wo bleibt da die verfassungsrechtlich verankerte Informationspflicht des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks? Dabei kann Information auch spannend dargeboten werden. Niveau muss nicht langweilen. Guter Journalismus informiert und unterhält zugleich. Aber wo gibt es in Hessen heutzutage noch richtig guten Journalismus? | ||
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