Text von Freitag, 27. Oktober 2006
Planlos: Schlammschlacht als Nebenwirkung | ||
Marburg * (sts)
Wie der Lipobay-Skandal bei Bayer gezeigt hat, können nicht kenntlich gemachte Nebenwirkungen einen Konzern an den Rand des Ruins treiben. Von ähnlicher Tragweite könnte sich für Novartis Behring ein Fall vor dem Arbeitsgericht entwickeln, wie Richter Hans-Gottlob Rühle befürchtete. Eine 47-jährige Mitarbeiterin klagte am Freitag (27. Oktober) gegen ihre Kündigung vom 23. Mai 2006. Die kaufmännische Angestellte war in der Abteilung Arzneimittelsicherheit für die Meldung von Nebenwirkungen an die Behörden sowie die Dokumentation der Melde-Ordner und Fax-Sendeberichte zuständig. Wegen erheblicher Mängel in dieser Dokumentation wurde die Frau Anfang April zunächst abgemahnt und schließlich gekündigt. Die "Schlecht-Leistungen" der Angestellten sollen sich aber über einen Zeitraum von fast zwei Jahren erstrecken. "Der Arbeitgeber steht vor einem erheblichen Aufarbeitungs-Prozess. "Da stimmt einiges nicht", warnte Rühle die Konzern-Leitung. Es sei ein erhebliches Organisations-Verschulden des Arbeitgebers, derart wichtige Dokumente nicht regelmäßig zu kontrollieren. Auch der Betriebsrat des Unternehmens hat der Kündigung widersprochen. Die Angestellte habe sich nach der Abmahnung kein weiteres Fehlverhalten zu Schulden kommen lassen. Somit sei die Kündigung nicht rechtmäßig. Auf Antrag des Personal-Referenten Harald Weigand wurden der Betriebsratsvorsitzende Walter Michel und sein Stellvertreter Konrad Hankel von der Verhandlung ausgeschlossen. Als mögliche Zeugen bei einem Kammer-Termin könnten sie durch den Prozess-Verlauf beeinflusst werden, begründete Weigand seinen Antrag. "Als nicht gerade förderlich für das Betriebsklima" bewertete Rühle diesen Vorstoß. Noch schädlicher für die interne Atmosphäre könnte sich ein Vorwurf der Klägerin erweisen. Da sie eindeutige Avancen ihres Abteilungsleiters nicht erwidert habe, seien die Vorwürfe, die zu ihrer Kündigung geführt haben, nichts weiter als ein Rache-Akt ihres Chefs. Auch der Betriebsrat monierte in seiner Stellungnahme, dass andere Mitarbeiter für ähnliche Fehler nicht sanktioniert worden seien. Um eine öffentliche Schlammschlacht zu vermeiden, riet Rühle den Beteiligten zu einer gütlichen Einigung und zu einer internen Lösung. "Wenn vor Gericht alle Fakten auf den Tisch kommen, wird dies sicher kein Ruhmesblatt für das Unternehmen", warnte der Arbeitsgerichtsdirektor. Doch die Verhandlungen über eine Abfindung oder eine Weiterbeschäftigung der Klägerin in einer anderen Abteilung scheiterten. "Der Prozess ist auch zu interessant, um ihn heute schon zu beenden", offenbarte Rühle abschließend eine gewisse resignativ-neugierige Gemütslage. Die Verhandlung wird am 16. März 2007 ab 13 Uhr vor dem Arbeitsgericht fortgesetzt. | ||
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