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Text von Freitag, 16. November 2007

>B i l d u n g<
  
 IfG-Geburtstag: Kirchhof für Genossenschaften 
 Marburg * (fjh/pm)
"Das 60-jährige Bestehen des Instituts für Genossenschaftswesen ist auch für die Philipps-Universität ein höchst erfreuliches Ereignis, da es aus Sicht der Universitätsleitung hervorragende Arbeit geleistet und damit nicht unwesentlich zum Ansehen auch der Philipps-Universität beigetragen hat", sagte Universitätspräsident Prof. Dr. Volker Nienhaus während des Festakts am Donnerstag (15. November).
Zwar ist das Institut keine unmittelbare Einrichtung der Universität, sondern ein sogenanntes "An-Institut". Doch sind beide vor allem personell aufs engste verknüpft: Gerade die interdisziplinäre Leitung des Instituts durch Marburger Professoren der Fachbereiche Rechtswissenschaften und Wirtschaftswissenschaften zeige die Integration des Instituts für Genossenschaftswesen in die Philipps-Universität.
Das Marburger Genossenschaftsinstitut (ifG) widmet sich der Lösung aktueller Probleme aus allen Gebieten des Genossenschafts- und Kooperationswesens. Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen der Bank- und Wohnungswirtschaft, des Handels und Handwerks sowie neuer Genossenschaften wie Gesundheitsvorsorge oder Energiewirtschaft.
Dabei besteht ein enger Kontakt zur Praxis. "Aus der Sicht der Universitätsleitung hat das Institut für Genossenschaftswesen in sechs Jahrzehnten hervorragende, erfolgreiche Arbeit geleistet und damit nicht unwesentlich zum Ansehen auch der Philipps-Universität beigetragen", resümierte Nienhaus.
Das als Stiftung des öffentlichen Rechts eingerichtete ifG wurde im Jahr 1947 gegründet. Damit ist es das älteste deutsche Genossenschaftsinstitut. Heute zählt es unter den im deutschsprachigen Raum insgesamt 13 Geno-Instituten zu den führenden, nicht zuletzt wegen seiner engen Verzahnung von Theorie und Praxis sowie seiner Interdisziplinarität.
Gründung und Aufbau gehen zurück auf eine gemeinsame Initiative der Wissenschaft, der genossenschaftlichen Praxis sowie der hessischen Landesregierung.
"Hätte die hessische Landesverfassung nicht schon 1947 festgeschrieben, dass das Genossenschaftswesen zu fördern sei, so müsste man dieses jetzt nachholen", begann Prof. Dr. Paul Kirchhof sein Plädoyer zur "Aktualität der Genossenschaft im weltoffenen Markt". Der ehemalige Bundesverfassungsrichter und derzeitige Direktor des Instituts für Finanz- und Steuerrecht der Universität Heidelberg ist überzeugt: "Wir brauchen diese Wirtschaftsform in unserer Gegenwart mehr denn je, um eine Handlungsform des Wirtschaftens zu geben, in der Nähe und Identität eine Rolle spielt."
Das Genossenschaftswesen stelle so ein Gegengewicht in der Globalisierung da, in der Großorganisationen die Wirtschaft beherrschen. Das Wirtschaftsleben werde immer kartell-ähnlicher und auf Shareholder Value ausgerichtet. Gerade in Aktiengesellschaften sei die Kapitalbindung immer flüchtiger und gleichzeitig anonymer zum Beispiel durch Anlage in Fonds.
In diesem Kontext biete die Wirtschaftsform einer Genossenschaft unter anderem durch eine Einheit in Region, Struktur und Kultur eine Alternative. Sie vereine die strukturelle Bindung des Kunden-Anliegens mit dem des Kapitals.
Unterstützt wurde Kirchhof von Dr. Christoph Pleister, dem Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken: "Genossenschaftsbanken begreifen sich ganz bewusst als Gegengewicht zu anonymen globalisierten Wirtschaftsstrukturen."
Gleichzeitig seien sie mit ihrer privaten Rechtsform, ihrem mitglieder- und kundenbezogenen Unternehmensauftrag und ihrem dezentralen Unternehmertum die beste Lösung bei der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung und der mittelständischen Wirtschaft mit Finanz-Dienstleistungen, behauptete Pleister.
Kirchhof und Pleister waren sich einig, dass gerade die heutige Zeit viele Weiterentwicklungsmöglichkeiten für das Genossenschaftswesen biete und damit auch das Marburger Genossenschaftsinstitut weiterhin eine Fülle von Themen zu bearbeiten habe. Natürlich sei der Spagat in der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis nicht immer einfach, erinnerte IfG-Direktor Prof. Dr. Volker Beuthien: "Die Wissenschaft strebe geduldig nach Erkenntnissen, die Praxis dagegen fordere ungeduldig Ergebnisse."
Gerade die system-immanente Reflexion an und in der Praxis forderte der Vorstandsvorsitzende der Fördergesellschaft des ifG, Walter Weinkauf. Er sah "Wissenschaft als Vordenkerin der Praxis, die Impulse zur Fortentwicklung der Realität" gibt.
Prof. Dr. Stefan Dierkes kündigte an, dass das ifG einerseits den Kontakt zu seinen Mitgliedern weiter intensivieren werde und andererseits den Gedanken des Genossenschaftswesens wieder stärker in die Lehre hineintragen werde unter anderem durch Lehrbeauftragte aus der Praxis.
 
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