Text von Mittwoch, 5. Dezember 2007
Praktische Stahlkammer: Virologisches Labor eröffnet | ||
Marburg * (fjh/pm)
Nach rund zweijähriger Bauzeit und umfangreichen Sicherheitstests hat der Hessische Wissenschaftsminister Udo Corts am Mittwoch (5. Dezember) das sogenannte "BSL4-Labor" an die Philipps-Universität übergeben. Das neue Labor unterstreiche die herausragende Rolle der Marburger Virologie und damit der gesamten Universität für die nationale wie internationale Forschung, erklärte Vizepräsident Prof. Dr. Gerhard Heldmaier. Im neuen Labor, das der höchsten Sicherheitsstufe " Biologischer Sicherheitslevel 4" (BSL 4) nach dem Gentechnik-Gesetz entspricht, sollen gefährliche Viren wie zum Beispiel die Erreger von Ebola, Sars oder Vogelgrippe und deren Varianten erforscht werden, um neue Diagnose-Methoden, Impfstoffe und Therapien zu entwickeln. Vergleichbare Einrichtungen gibt es gegenwärtig in Europa nur in Lyon und Stockholm. "Der Bau und der Betrieb des Hochsicherheitslabors der Klasse BSL4 ist für den Wissenschafts-Standort Marburg eine prägende Entscheidung und für die Philipps-Universität eine sehr große Herausforderung", sagte Corts bei der Übergabe. "Das BSL4-Labor wird ein Meilenstein zur Erforschung von Pandemien", sagte der Dekan des Fachbereichs Medizin. Prof. Dr. Matthias Rothmund fuhr fort: "Mit der Übergabe des Labors sind die räumlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Marburg weiterhin Kristallisationspunkt biomedizinischer Forschung bleibt." Das neue - auf einer Grundfläche von 20 mal 20 Metern errichtete - Gebäude verfügt über eine Haupt-Nutzfläche von 663 Quadratmetern, wovon 285 Quadratmeter Laborfläche sind. Es enthält in vier Geschossen nur die Technik, die zur Forschungsarbeit im mittleren Stockwerk unabdingbar ist. Das Labor-Geschoss ist faktisch ein Gebäude im Gebäude. Von den restlichen Stockwerken und von der Außenwelt ist dieser Bereich hermetisch abgekapselt. Um weder die in dem Labor arbeitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, noch die Umwelt zu gefährden, wurden höchste Sicherheitsanforderungen verwirklicht. Etwa die Hälfte der Baukosten von rund 11,5 Millionen Euro, die von Land und Bund finanziert werden, entfällt auf technische Ausstattung. "Der Bau ist nach den technisch neuesten Erkenntnissen und Fortschritten umgesetzt", freute sich Thomas Platte. Zusammen mit renommierten Fachplanern, dem Regierungspräsidium (RP) Gießen und Mitarbeitern der Philipps-Universität und 32 Firmen hat der Direktor des Hessischen Baumanagements das Gebäude errichtet. Besonderes Augenmerk wurde auf den technisch dichten Labor-Raum aus Edelstahl und die Lüftungsanlage gelegt, um bei allen Betriebszuständen eine Gefährdung der Umwelt und der Mitarbeiter auszuschließen. Das Labor besitzt zwei unabhängige identische Laborbereiche, deren Technik redundant ausgelegt ist und jeweils beide Laborbereiche versorgen kann. Sukzessive werden maximal bis zu 16 Mitarbeiter Zugang zum BSL4-Labor erhalten, der über drei Schleusen gesichert ist. Parallel können bis zu vier Mitarbeiter in "Vollschutz-Anzügen" jeweils bis zu drei Stunden im Labor arbeiten. Mitte Dezember soll nach Abschluss aller Übungen mit der Feuerwehr, dem Rettungsdienst Marburg-Biedenkopf und dem Kompetenz-Zentrum Frankfurt sowie nach der Einarbeitung der Mitarbeiter der sogenannte "heiße Betrieb" aufgenommen werden. Bereits seit September läuft der "kalte Betrieb" während der Testphase. Pünktlich zur Übergabe des Labors hat Prof. Dr. Stephan Becker am Samstag (1. Dezember) seine Arbeit in Marburg aufgenommen. Er übernimmt die Leitung des Instituts für Virologie von Prof. Dr. Hans-Dieter Klenk, der emeritiert wird. Becker, der sich über das "Marburg-Virus" habilitiert hat, ist weltweit einer der führenden Experten für diesen Virus. "Das Ziel unserer Forschungen wird sein, krankheits-auslösende Mechanismen zu verstehen und neue Diagnose-Methoden zu etablieren", versprach Becker, der mit seiner Arbeitsgruppe bereits einen Antrag auf einen Sonderforschungsbereich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) vorbereitet hat. Marburg hat eine vierzigjährige Erfahrung mit hochpathogenen Viren. Der Ausbruch eines schweren hämorrhagischen Fiebers unter Mitarbeitern der damaligen Behringwerke, die mit importierten Affen gearbeitet hatten, löste 1967 in der Bevölkerung und in Fachkreisen große Bestürzung aus. Dieser Ausbruch markierte für Deutschland den Beginn eines Phänomens, das heute "Emerging Viruses" genannt wird: hochpathogene Viren, die wie aus dem Nichts auftauchen, schwerste Erkrankungen auslösen und wieder verschwinden. Der Erreger der sogenannten "Marburger Affenkrankheit" wurde damals in sehr kurzer Zeit an der Philipps-Universität entdeckt. Mitte der 80er Jahre wurde dann am Institut für Virologie auf Initiative von Prof. Dr. Hans-Dieter Klenk das erste Sicherheitslabor gebaut und betrieben, das nun durch den Neubau ersetzt wird. Die Wissenschaftler, die dort gearbeitethaben, haben wesentlich dazu beigetragen, etwa das Verständnis von Marburg- und Ebola-Viren zu verbessern. Durch ihre Arbeiten haben sie international Anerkennung errungen. Nach wie vor wird auch das neue Labor für die Diagnostik von importierten Viren wie Marburg-, Ebola- und Lassa-Viren, von neuen wie SARS-Coronavirus und von ausgerotteten Viren wie Pocken-Viren genutzt. Aufgrund dieser Aufgabe wird eine Betriebsbereitschaft von 365 Tagen a 24 Stunden versichert. Dabei wird großer Wert auf die enge Zusammenarbeit mit dem Behandlungszentrum für hochpathogene Virus-Erkrankungen in Frankfurt gelegt, um als Kompetenz-Netzwerk für diese Aufgabe gewappnet zu sein. Für die Philipps-Universität bildet die Fertigstellung des Labors den Abschluss des zweiten Bauabschnitts auf den Lahnbergen, der mit dem Neubau der Zentralen Medizinischen Bibliothek, des Biomedizinischen Forschungsgebäudes, des Mutter-Kind-Zentrums sowie des Neubaus für die Virologie, die Immunologie und die Mikrobiologie begonnen wurde. Der Bau des BSL4-Labors wurde ausdrücklich unterstützt durch den Wissenschaftsrat, dessen Stellungnahmen die Leistungen der Marburger Virologie und speziell die Arbeiten auf dem Gebiet hochpathogener Viren als Alleinstellungsmerkmal der Philipps-Universität mehrfach lobend erwähnt haben. | ||
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