Text von Mittwoch, 21. Februar 2007
Überfallen: Emilia Galotti im Fürstensaal | ||
Marburg * (kwn)
Kultur bedeutet Langeweile? Das Gegenteil bewiesen am Dienstag (20. Februar) zwölf Künstler mit der Aufführung des Dramas "Emilia Galotti". Um Punkt 20 Uhr hieß es im Fürstensaal des Landgrafenschlosses Bühne frei für das bürgerliche Trauerspiel von Gotthold Ephraim Lessing. Knapp 200 Gäste hatten sich um die kleine Bühne herum positioniert. Der Hintergrund des Schauplatzes war mit silberfarbenem Stoff behangen, auf dem sich eine riesige Tür erstreckte. Dadurch sahen sich die Zuschauer in den Vorhof eines prunkvollen Gebäudes versetzt. Überall auf der Bühne lagen transparente, bunt beleuchtete Quader, die die einzigen Requisiten im gesamten Stück darstellten. Heruntergefahrene Beleuchtung hüllte die Zuschauer in eine angenehme Dunkelheit und deutete den Beginn der Vorstellung an. Die Gäste verstummten. Fortan ließen sie sich von der Tragödie um Emilia Galotti (Franziska Endres) treiben. Das junge Mädchen soll nach dem Willen des Vaters Odoardo Galotti (Jochen Nötzelmann) mit dem Grafen Appiani (Ullrich Wittemann) verheiratet werden. Doch der Prinz von Guastalla (Daniel Sempf) ist über dieses Vorhaben empört, da er sich in die Schönheit verliebt hat. Er klagt seinem Kammerherrn und Vertrauten Marinelli (Peter Meyer) seinen Liebeskummer und seine Verzweiflung. Daraufhin engagiert Marinelli einen Überfall auf die Kutsche der Galottis. Dabei wird der Graf getötet. Emilia flieht in das nahe gelegene Schloss des Prinzen, der sich am Ziel seiner kühnsten Träume sieht. Jedoch durchschaut seine Ex-Gespielin Gräfin Orsina ( Ulrike Knobloch) den mörderischen Plan und unterrichtet den eben herangeeilten Odoardo. In seiner Verzweiflung ersticht er seine junge Tochter mit einem Dolch. Vor dem Prinzen von Gustalla rechtfertigt er sich mit den berühmten Worten: "Eine Rose! Ich habe die Rose gepflückt, ehe sie der Sturm entblättert." Durch die anspruchsvolle, überzeugende schauspielerische Leistung der Künstler wurden die Gäste von dem Stück mitgerissen. Durch den Einsatz von Instrumenten wurden die vielen Spannungsbögen und die parallel laufenden Handlungsstränge untermalt. Die minimalistisch gehaltene Ausstattung von Frank Chamier des Schauplatzes rückte das Werk in den Mittelpunkt. Knapp über zwei Stunden sah sich der Zuschauer in eine Welt voller Intrigen, Leidenschaft, überhöhten Wertvorstellungen, Zeitdruck und fehlgeleiteten Informationen versetzt, die ihn mitfiebern und hoffen ließ. Letztlich zog die Intensität der Inszenierung von Karl Georg Kayser auch den letzten Kultur-Muffel in seinen Bann. "Emilia Galotti" wurde am 13.März 1722 im Herzoglichen Opernhaus in Braunschweig uraufgeführt. Gotthold Ephraim Lessing thematisiert mit diesem Drama jedoch nicht nur die Liebe. Er zeigt, dass zur Zeit der Aufklärung dem willkürlichen Herrschaftsstil des Adels die neue Moral des Bürgertums kontradiktorisch gegenüberstand. Sämtliche feudalen Vorstellungen von Liebe und Ehe trafen somit auf den neuen empfindsamen Liebesdiskurs der Bürger. Eben diese Kombination trägt maßgeblich zur Brisanz des Stücks bei. Wer ein Stück Kultur und große Literatur spannungsgeladen, intensiv und hochanspruchsvoll miterleben möchte, dürfte sich mit dieser Aufführung wohlberaten fühlen. | ||
Ihr Kommentar |
© 2007 by fjh-Journalistenbüro, D-35037 Marburg