Text von Sonntag, 28. Oktober 2007
Gert Heidenreich: Krimi-Autor und Profi-Sprecher | ||
Marburg * (jnl)
Fulminante Kritiken für Gert Heidenreichs neuen Roman "Im Dunkel der Zeit" erzeugten im Vorfeld Hochspannung. Seine Autorenlesung bei "Literatur um 11" am Sonntag (28. Oktober) im Café Vetter war entsprechend gut besucht. Ludwig Legge stellte Heidenreich als einen literarischen Hochkaräter vor. Als Kriminalautor sei er bislang eigentlich nicht in Erscheinung getreten, wohl aber habe er immer überzeugende literarische Qualität bewiesen, meinte der Vorsitzende der Neuen Literarischen Gesellschaft. Wer wie er mit Romanen und Lyrik, Dramen und Essays gleichermaßen Erfolg habe, dem könne man ein großartiges Krimi-Debüt durchaus zutrauen. Ein schmaler, mittelgroßer, dezent in Anthrazit-Tönen gewandeter 63-jähriger Autor bestieg die Bühne. Mit markanter Stimme bestätigte er, dass er weder Kriminalschriftsteller sei noch selber Krimi-Leser. Doch habe er selbst gestaunt, wieviel Präzision die innere Architektur eines Kriminalromans erfordere. Einmal dabei, dieses Neuland für sich selber zu erkunden, habe es ihm beim Schreiben überaus großes Vergnügen bereitet. Dieses Vergnügen sprang bei Heidenreichs Lesung aus "Im Dunkel der Zeit" schnurstracks auf das Publikum über. Dass man in der Szene am Fundort des Mordopfers mit gruseligen Details zu tun hatte, fiel wegen der großen sprachlichen Kraft der Schilderung gar nicht ins Gewicht. Gleichsam nebenbei wurde das Publikum mit der Einführung der beteiligten Personen über deren Hintergründe informiert. Das Geschehen nahm psychologisch fundiert und mit erstaunlicher Leichtigkeit seinen Lauf. Der Gerichtsmediziner ist ein alter Schulfreund des ermittelnden Kriminalhauptkommissars Swoboda. Leider war auch das Opfer ein enger Freund. In der fiktiven süddeutschen Kleinstadt Zungen kennt jeder jeden. Und doch lauert hinter der Idylle reichlich Nervenkitzel. Liebevoll und spannend malt Gert Heidenreich seine Szenen und Figuren. Der Mordfall ist ebenso eng mit der Stadtgeschichte verknüpft wie mit der Lebensgeschichte der Beteiligten. Daraus ergibt sich ein Panoptikum gewachsener Beziehungen der Kleinstädter untereinander. Wie fast immer, wurzelt ein Teil des Plots in Nazi-Zeiten. Aber das stört kaum. Der entspannte Fluss der Erzählung dreht sich vor allem um Psychologisches. Der wegen zuviel Versenkung in seine Arbeit längst geschiedene Kommissar Alexander Swoboda ist ein ausgepichter Sympathieträger. Seine Schwächen machen ihn umso menschlicher. Beispielsweise schläft er gegen alle Vorschriften mit einer möglichen Zeugin. Heidenreich zeichnet seine Hauptfigur mit viel Einblick in ihre Gefühls- und Gedankenwelt. Als zweiten Handlungsstrang hat der Autor Auszüge aus dem Tagebuch des psychopathischen Mörders eingeflochten. Mit dieser Verkörperung des Extremen erreicht er scharfe Kontraste, die den Leser heisskalt duschen. Nach Heidenreichs exzellentem Vortrag gab es diesmal keine Fragestunde, aber viele Zuhörer mit Glanz in den Augen, die sich zum Signieren ihres Roman-Exemplars um den Autor drängten. | ||
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