Text von Mittwoch, 30. Mai 2007
Unnahbar: G8-Gipfel hinter Stacheldraht | ||
Marburg * (jnl/pm)
Als "teuerstes Treffen auf bundesdeutschem Boden" hat die Humanistische Union (HU) den G8-Gipfel in Heiligendamm kritisiert. Er koste nicht nur Unsummen an Steuergeldern, sondern auch die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger. Berechtigte Proteste dagegen unterstützt der HU-Ortsverband Marburg nach einem Beschluss seiner Mitgliederversammlung vom Dienstag (29. Mai) einstimmig. Scharf verurteilt hat die Marburger Bürgerrechtsorganisation Maßnahmen zur Einschüchterung der G8-Kritiker wie beispielsweise die Androhung von Unterbindungsgewahrsam. Das weiträumige Demonstrationsverbot in Heiligendamm, Hausdurchsuchungen und die Speicherung von Geruchsproben sowie die Öffnung von Briefen erinnern die HU-Mitglieder fatal an die Arbeitsweise des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (StaSi). Der "Wanderkessel" bei der Demonstration zum ASEM-Außenministertreffen am Montag (28. Mai) in Hamburg ist nach Überzeugung der Marburger HU ebenfalls eine vollkommen unverhältnismäßige Aktion gewesen. Derzeit schürten sogenannte "Sicherheits"-Politiker wie Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble eine regelrechte Hysterie um die globalisierungskritischen Proteste. Dennoch schließen sich nach Beobachtungen der HU immer mehr Menschen dieser Bewegung an. Vom einstigen CDU-Generalsekretär Heiner Geißler bis hin zu Musikern wie Herbert Grönemeyer und Bono reicht die Spannweite der demokratischen Gegenkultur zu G8 inzwischen. Deswegen rechnen die Marburger Menschenrechtler mit einer massenhaften Teilnahme an den Protest-Aktionen. Den Einsatz von 16.000 Polizisten und 1.100 Soldaten rund um den Gipfel hält die HU indes für unverhältnismäßig. Das belaste nicht nur den Steuerzahler, sondern auch die betroffenen Beamten unangemessen. Einerseits werde die Polizei anderswo in der Republik abgezogen, andererseits müssten die Ordnungshüter massenweise Überstunden schieben, um den Gipfel zu bewachen. Schäubles ständige Beschwörung angeblicher Gewalttaten bei Anti-Gipfel-Demonstrationen kann die angekündigten Angriffe auf die Freiheitsrechte aus bürgerrechtlicher Sicht nicht rechtfertigen. Ohnehin argwöhnt die HU Marburg, dass die Geheimdienste durch eine Einschleusung von Provokateuren selbst für die von dem Minister angekündigte Gewalt sorgen könnten. Der hochgespielte Gewaltvorwurf solle die globalisierungskritische Bewegung in der Öffentlichkeit diskreditieren. Gewalt geht nach Einschätzung der HU vielmehr von der neoliberalen Globalisierung und der kriegstreiberischen Politik der US-Regierung aus als von den Demonstrantinnen und Demonstranten. An den Vereinten Nationen vorbei beanspruche die G8 eine Entscheidungsmacht, die keinerlei demokratische Legitimation besitze. Die für das Gipfeltreffen eingesetzten 100 Millionen Euro sollten nach Ansicht der Marburger HU besser in die weltweite Armutsbekämpfung fließen. Zudem sollten die Teilnehmer vor einem Besuch in Heiligendamm zunächst die lauthals verkündeten Versprechen der vorangegangenen Treffen in Form der sogenannten Millenniumsziele erfüllt haben. Größere Hoffnungen auf Ergebnisse des Gipfels hegt die HU ohnehin nicht. Weder bei der Lösung internationaler Konflikte, noch bei der Bewältigung der Klima-Katastrophe sei in Heiligendamm ein Durchbruch zu erwarten. Bundeskanzlerin Angela Merkel stehe damit vor dem größten Desaster ihrer bisherigen Laufbahn. Mit einem eigenartigen Verständnis von Demokratie verschanzten sich die G8 in Heiligendamm hinter einem zwölf Kilometer langen und 2,50 Meter hohen Stacheldraht-Zaun ähnlich der einstigen DDR-Grenzanlage. Dieses Verhalten kennzeichne die von ihnen vorangetriebene Politik der neoliberalen Globalisierung: Die Mächtigen kungeln unter Ausschluss der Öffentlichkeit miteinander die nächsten weltweiten Verelendungsprogramme aus, während die Menschen draußen bleiben müssen. | ||
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