Text von Samstag, 27. Oktober 2007
Mainstream-Medien: Agenturen, Anzeigen, Arbeitsdruck | ||
Marburg * (mjb)
Einen interessanten Einblick in die Rahmenbedingungen journalistischer Arbeit konnten Interessierte am Freitag (26. Oktober) im Rahmen des Medienforums in der Volkshochschule gewinnen. Der Marburger Medienwissenschaftler PD Dr. Gerd Hallenberger sprach zum Thema "Mainstream, Leitmedien und innere Pressefreiheit". Hallenberger ist neben seiner Lehrtätigkeit unter anderem auch an der Vergabe des renommierten Grimme-Preises beteiligt. Das Medienforum findet in loser Folge statt und wird vom Verein Arbeit und Leben in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Marburg organisiert. In seinem Vortrag beleuchtete Hallenberger insbesondere die Arbeitsbedingungen von Journalisten und den damit einhergehenden Qualitätsverfall im politischen Journalismus. Er beschrieb eine widersprüchliche Entwicklung bei der Bedeutung des Fernsehens als Leitmedium. Einerseits habe das Fernsehen in den letzten Jahren durch die Konkurrenz der neuen digitalen Medien einen Teil seiner Bedeutung eingebüßt. Andererseits finde aber Politik immer häufiger im Fernsehen statt. Politisches Handeln werde durch symbolische Politik und durch politische Inszenierungen im Fernsehen ersetzt. Die durch die Globalisierung und die Übertragung von Kompetenzen an die Europäische Union stark eingeschränkte Handlungsfähigkeit von Regierungen führe dazu, dass Politik überwiegend durch die Debatten in TV-Talkshows oder durch eigens für die Medien inszenierte Ereignisse wahrnehmbar sei. Dadurch sei die Grenze zwischen Information und Unterhaltung verwischt worden. Hallenberger bezeichnete diese Entwicklung mit dem Begriff "Politainment". In noch stärkerer Form seien die klassischen Printmedien der Konkurrenz durch das Internet ausgesetzt. Hallenberger prognostizierte, dass die gedruckte Tageszeitung vielleicht in absehbarer Zeit ganz verschwinden und durch elektronische Medien ersetzt werden könnte. Durch den harten Wettbewerb und das Ausbleiben von Anzeigen-Kunden sei es regionalen Tageszeitungen kaum noch möglich, seriösen Journalismus zu betreiben. Dennoch müssten durch die steigende Anzahl von Medien immer mehr Seiten mit Artikeln gefüllt werden. Da kaum noch Zeit und Geld für gründliche Recherchen bleibe, gingen viele Zeitungen zunehmend dazu über, Meldungen von Presseagenturen unredigiert zu übernehmen oder gar auf Artikel von PR-Agenturen zurückzugreifen. Gerade diese Entwicklung sei bedenklich für die Unabhängigkeit des politischen Journalismus, da auf diese Weise lobbyistische Gruppen wie etwa die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) erheblichen Einfluss auf die Berichterstattung und damit auf die politische Meinungsbildung gewännen. Darüber hinaus seien die Redaktionen dem Druck ihrer Anzeigen-Kunden ausgesetzt, die auf kritische Berichterstattung mitunter auch mit Anzeigen-Boykott reagierten. Hallenberger wies außerdem auf ein Phänomen hin, dass insbesondere in Berlin Mitte sehr ausgeprägt sei. Durch die räumliche und soziale Nähe der Journalisten zu Politikern leide die Qualität der Berichterstattung. Den Journalisten gehe es bei ihrer Arbeit nicht mehr um eine politische Haltung, sondern um die Nähe zur Macht. Die eigene Karriere und der Aufstieg in die Sphäre von Mächtigen und Medien-Berühmtheiten sei manchen wichtiger als die notwendige kritische Distanz. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass sich die Diskussionsteilnehmer einen qualitativ hochwertigen und vor allem unabhängigen Journalismus wünschten. Nach Hallenbergers Vortrag wurde aber auch Verständnis dafür geäußert, dass es für Journalisten unter dem enormen Konkurrenzdruck und den höchst schwierigen Arbeitsbedingungen schwer sei, dem Wunsch nach gutem Journalismus zu entsprechen. Außerdem wurde festgestellt, dass anspruchsvollere Sendungen im Fernsehen nur noch spät in der Nacht gezeigt werden und dem Publikum offenbar nicht mehr zugetraut werde, eine gute Dokumentation zur Haupt-Sendezeit sehen zu wollen. Groß war bei einigen Zuhörern auch das Interesse für die Möglichkeiten einer eigenen journalistischen Tätigkeit. Sie diskutierten darüber, welcher Einstieg in den Journalismus erfolgversprechend sei. Gerd Hallenberger hat sehr kenntnisreich und kurzweilig einen anschaulichen Einblick in die journalistische Praxis geboten. Trotz der knappen Zeit von nur etwa eineinhalb Stunden ist es ihm gelungen, ein komplexes Thema ansprechend und informativ zu vermitteln. Das wurde auch in der sehr angeregten Diskussion deutlich. Gerade deshalb war es sehr bedauerlich, dass sich nur wenige Zuhörer in der Volkshochschule eingefunden hatten. Der Vortrag hätte ein größeres Publikum verdient. | ||
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