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Text von Samstag, 24. März 2007

> s o z i a l e s<
  
 Generation Praktikum: AStA kritisiert Ausbeutung 
 Marburg * (fjh/pm)
Die Ausbeutung von Hochschul-Absolventen nach dem Studium wird immer mehr zum Normalfall. Das hat der Allgemeine Studierenden-Ausschuss (AstA) am Samstag (24. März) beklagt. Im Vorfeld einer Ausschuss-Debatte im deutschen Bundestag über Praktika äußerte sich die Marburger Studentenvertretung zum Problem ausbeuterischer Praktika.
Eine kürzlich erschienene Studie der DGB-Jugend unter dem Titel "Generation Praktikum" bestätige die Befürchtung, dass Hochschul-Absolventen immer häufiger systematisch ausgebeutet werden, bevor sie dann den Weg in ein reguläres Arbeitsverhältnis schaffen.
Ende 2006 wies Vizekanzler Franz Müntefering in einer Rede auf die prekäre Situation der Praktikanten in Deutschland hin. Nachdem auf die Versprechungen aber keine Taten folgten, gab es innerhalb kürzester Zeit zwei online-Petitionen an den Deutschen Bundestag.
Die erste Petition sammelte rund 40.000 Unterschriften. Bei der zweiten waren es sogar fast 60.000.
"Wenn fast 60.000 Menschen die Petitionsseite des Bundestages aufsuchen, um eine Petition zum Thema Praktikum zu unterzeichnen, dann sollte auch der Bundesregierung klar werden, dass hier etwas schief läuft und unbedingt etwas getan werden muss", erklärte die stellvertretende AStA-Vorsitzende Karin Zennig. "Gesetzliche Regelungen sind schon längst überfällig."
Die Studie der DBG-Jugend zeigt diesen Notstand deutlich auf. Sie fand heraus, dass 37% aller Absolventinnen und Absolventen nach dem Studium noch mindestens ein Praktikum absolvieren, bevor sie eine Anstellung finden. 21% bekommen für die dort geleistete Arbeit noch nicht einmal einen Lohn.
"Nicht nur während des Studiums muss ein Großteil der Studierenden für einen Hungerlohn, der weit unter dem - sich in der Diskussion befindenden - Mindestlohn liegt, arbeiten, um sich das Studium überhaupt leisten zu können", beklagte AStA-Referent Michael Hoffmann. "Es wird sogar immer mehr zum Normalfall, dass Menschen mit abgeschlossenem Hochschul-Studium auch noch nach dem Studium längere Zeit unterbezahlte oder gänzlich unentgeldete Praktika machen müssen, bevor sie in reguläre Arbeit übernommen werden."
Auch hier zeige sich einmal mehr, wie groß die gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen in diesem Land noch heute ist. "Von einer Gleichberechtigung, wie sie im Grundgesetz vorgeschrieben ist, sind wir noch meilenweit entfernt", meinte Zennig.
Nach Angaben der Studie machen Hochschul-Absolventinnen mit 44% fast doppelt so oft noch ein Praktikum wie männliche Absolventen.
Das schlimmste an den meisten Praktika nach dem Studium sei allerdings, dass es sich bei ihnen gar nicht um echte Praktika handele, sondern sie rechtlich eigentlich wie normale Arbeitsverhältnisse behandelt werden müssten. Die Arbeitgeber missbrauchen hier nach Ansicht des AstA absichtlich den Begriff "Praktikum", um die Hochschul-Absolventen nicht nur finanziell, sondern auch bei Sozialleistungen und Arbeitnehmerrechten auszubeuten. Nach einem Urteil des Bundes-Arbeitsgerichts müssen Praktika reine Lern-Verhältnisse darstellen, doch das tun sie nach Einschätzung des AstA in den wenigsten Fällen.
"Meistens profitiert der Betrieb von der Praktikantin oder dem Praktikanten als billige und motivierte Arbeitskraft", weiß Hoffmann. "Die eigentlich vorgesehene Qualifizierung durch das Praktikum spielt hingegen allzu oft keine Rolle."
Auf Grund dieser besorgniserregenden Ergebnisse fordert der AStA Marburg eine gesetzliche Regelung für Praktika. "Es wird Zeit, dass die Gesetzgebenden endlich die Ausbeutung durch unbezahlte Praktika verbieten und dafür sorgen, dass der qualifizierende Charakter bei Praktika wieder im Vordergrund steht", fordert der AstA-Referent. "Genauso wie PraktikantInnen endlich arbeitsrechtlich bessergestellt werden müssen!"
Am Montag (26. März) debattiert der Petitionsausschuss des Bundestags in einer öffentlichen Sitzung über die beiden Petitionen. Der AStA Marburg hofft, dass dann die Bundesregierung auch endlich ihre Verantwortung übernimmt.
 
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