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Text von Donnerstag, 22. Februar 2007

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 Übereilt: Parkinson auf der Spur 
 Marburg * (ule/pm)
Marburger Neurologen sind in der Parkinson-Forschung einen wichtigen Schritt vorangekommen. Das meldete das Zentrum für Nervenheilkunde der Philipps-Universität am Donnerstag (22. Februar).
Die Hirnforscher fanden heraus, dass die Ursache für den Tod von Gehirnzellen bei der Nervenkrankheit Morbus Parkinson ein fataler Irrweg ist, den die Neuronen einschlagen.
"Obwohl sich die Nervenzellen des Gehirns nicht durch Zellteilung vermehren können, schalten erkrankte Zellen die gesamte molekulare Maschinerie an, die für die Zellteilung nötig ist, und gehen schließlich daran zugrunde", erklärt Dr. Günter U. Höglinger vom Fachbereich Medizin.
In einem internationalen Team haben die Marburger Neurologen mit Kollegen aus Frankreich und den USA zusammen gearbeitet. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten sie in den "Proceedings" der US-amerikanischen Nationalakademie (PNAS). Online erschienen ist die Publikation bereits am Mittwoch (21. Februar) unter dem Titel "The pRb/E2F cell-cycle pathway mediates cell death in Parkinson's disease".
Tatsächlich weist bei den untersuchten und von Parkinson betroffenen Nervenzellen laut Höglinger alles darauf hin, dass sie sich gleich teilen wollten. Die Forscher wiesen im Gehirngewebe verstorbener Patienten nach, dass sich der DNA-Strang bereits verdoppelt hatte. Gleichzeitig waren verschiedene molekulare Schalter aktiviert, die normalerweise zu einer Zellteilung führen. Dies sei ein erstaunlicher Vorgang angesichts der Tatsache, dass sich die ausdifferenzierten Nervenzellen des Gehirns grundsätzlich nicht durch Zellteilung vermehren können.
Im Reagenzglas sowie in Tiermodellen konnten die Forscher zudem nachweisen, dass es bei den erkrankten Nervenzellen, die scheinbar kurz vor einer Teilung stehen, diese aber dann doch nicht ausführen können, zu einem Konflikt von Signalen kommt. Dieser Konflikt führt schließlich dazu, dass sie sich selbst umbringen.
"Der Versuch der Zellteilung und diese Art von Zelltod hängen wahrscheinlich eng miteinander zusammen", erklärt Höglinger, der seit dem Jahr 2004 die Arbeitsgruppe für Experimentelle Neurologie im Biomedizinischen Forschungszentrum der Philipps-Universität leitet. Beides sind entwicklungsgeschichtlich sehr alte Prozesse, die sich möglicherweise parallel entwickelten und daher über "Schalter" verfügen, die beiden gemeinsam sind.
In experimentellen Parkinson-Modellen konnten die Forscher bereits die detaillierte Abfolge der zellulären Signale entschlüsseln, die letztlich zum "irrtümlichen" Zelltod führen. "Besonders interessant ist, dass wir diese Signale bereits beeinflussen können", meint Höglinger. "Im Tierversuch haben wir durch gentechnische Manipulation erreicht, dass die molekularen Schalter für die Zellteilung nicht mehr 'umgelegt' werden und dass infolgedessen auch der Zelltod ausbleibt."
Das internationale Forscherteam hofft nun, dass ihre Erkenntnisse zur Entwicklung neuroprotektiver Strategien, die zum Schutz der gefährdeten Zellen führen.
Aktuell arbeitet die Arbeitsgruppe um Höglinger intensiv daran, zu verstehen, was in den erkrankten Zellen dazu führt, diese fehlgeleiteten Signale zur Einleitung der "frustranen" Zellteilung zu aktivieren. Auf diese Weise hofft sie, an einem möglichst frühen Punkt der fatalen Signalkaskade therapeutisch eingreifen zu können.
Die Parkinson-Krankheit ist eine der häufigsten Erkrankungen des Nervensystems. In Deutschland sind davon zwischen 200.000 und 250.000 Menschen betroffen. Zu ihren motorischen Symptomen gehören Bewegungsverlangsamung, Muskelsteifheit und ein charakteristisches Zittern. Ursache der Symptome sind nach und nach absterbende Nervenzellen in der Substantia Nigra. Diese Gehirnregion ist der wichtigste Produktionsort des Botenstoffs Dopamin. Gehen hier Nervenzellen zu Grunde, kommt es zum Dopaminmangel im gesamten Gehirn.
Die motorischen Symptome der Krankheit werden heute therapiert, indem mit Hilfe dopaminartiger Medikamente der Dopaminmangel ausgeglichen wird. Bislang gibt es aber keine Therapie, die das Fortschreiten des Zelltodes und damit des Schweregrades der Erkrankung aufhalten könnte. Das liegt vor allem daran, dass die Mechanismen, die zum Absterben der Nervenzellen führen, nur unzureichend bekannt sind.
 
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