28.07.2001 * (nmn)
Mit einem Benefizkonzert zugunsten der
Marburger Tafel
begeisterte der "Halmstad Kammarkör" am Freitag (27. Juli) in der lutherischen Pfarrkirche St. Marien sein Publikum.
Die Marburger Tafel bietet Bedürftigen preisgünstige Verpflegung an. Der erst in diesem Frühjahr gegründete Verein sammelt Lebensmittel bei Großhändlern, Herstellern, Supermärkten oder Bäckereien ein, die nicht mehr verkaufsfähig, aber durchaus noch verwertbar sind.
Zur Unterstützung dieser sozialen Initiative brachten die Künstlerinnen und Künstler eine gelungene Darbietung mittelalterlicher und klassischer Musik, bei der Auge und Ohr auf ihre Kosten kamen. Die Frage, wie Musik im Mittelalter praktiziert wurde, beantwortete der schwedische Chor durch höfische Tanzeinlagen in selbstgemachten, historischen Kostümen, die zum Teil bis zu 14 Kilogramm wiegen. Das Ensemble des Chores begleitete den Gesang mit Violinen (Anna Jansson, Josephin Bergholm), Viola (Per Elwing), Violonchello (Karin Sanden-Berg) und Cembalo (Dorothea Wilkesmann).
Zu einer Pavane - einem höfischen Tanz - von Pierre Attaignant bewegten sich die Sänger mit gemächlichen Schritten zunächst im rechten Seitengang der gotischen Kirche nach vorne. Im Chorbereich gruppierten sie sich dann um die Musiker des Ensembles. Anschließend stellten sie dem Publikum drei deutsche Stücke profanen Inhalts vor, die laut Sören Angelsdorff, Manager des Chors, "von fröhlich tanzenden Leuten, von Liebe und Liebeskummer" handeln.
Bei einem Cembalo-Solo, "Allemand grave" von Henry Dumont bewies Dorothea Wilkesmann ihr Können.
Englische Stücke - nun teilweise auch sakralen Inhalts - folgten. In "Gabriels greatings" fragt das Jesuskind: "Mutter, sag, was soll einmal aus mir werden?". Maria gibt als Antwort die Wünsche des Erzengels Gabriel wider.
Im Folgenden boten die Künstler dänische und schwedische Stücke aus dem 16. Jahrhundert wie "Ballo del granduca" von Jan Pieterszoon Sweelinck und "Den sejrrige Amor" von Giovanni G. Gastoldi dar. Eingebettet zwischen Bach und Mozart stellte der Chor gleich drei Stücke vom "Vater der schwedischen Musik" vor, wie der Chorleiter Per Hendrik Johansson den Komponisten Johan Helmich Roman bezeichnete.
Sein vielfältiges Reportoire brachte der Chor stimmlich und tänzerisch eindrucksvoll zum Ausdruck.
Durch den Mittelgang tanzten sich die Sängerinnen und Sänger zum Schluß an dem begeistert applaudierendem Publikum vorbei zum Ausgang.
26.07.2001 * (nmn)
Leben mit der Natur - dazu ruft das Theater Gegenstand mit "Wooden Heart" auf. Die ausverkaufte Premiere des Tanztheaterstücks am Mittwoch (25. Juli) in der
Waggonhalle
begeisterte ihre Zuschauer durch eine gelungene Mischung von ästhetischem Ausdruck und philosophischen Anstößen.
Eine Ausstellung skurriler Holzstücke lud das Premieren-Publikum zunächst ein, sie zu betrachten und zu befühlen. Das Holz aus der Marburger Umgebung wurde durch äußere Einflüsse an seinem normalen Wachstum gehindert. Der " Installateur" Christoph Bonitz hat es gesammelt und bearbeitet - bis es von seiner Rinde geschält als nackte "Weißlinge" in abstrakten Formen zu bewundern war.
Die Besucher haben fleißig befühlt, gehoben, gedreht und gedeutet: "Das könnte ein Geweih sein, und das ist ein Stoßzahn. Und sieh mal da, ein Schiffchen."
Wer die Ausstellungsstücke eine Weile betrachtete, konnte in ihnen bereits Tanz und Choreographie erkennen. Durch ihre runden, weichen Formen stimmten sie auf die folgende Tanzdarbietung ein.
Nach etwa 20 Minuten betraten Jörg Haßmann, Ulf Stadlmann, Jana Heilmann und Mirjam Usbeck die Bühne - und brachten das Holz jetzt tatsächlich zum Tanzen.
Zunächst einmal näherten sie sich mit langsamen, grotesken Bewegungen zu klassischer Musik den Holzstücken an - sie wirkten wie Außerirdische, die Holz ganz anders wahrnehmen als die Menschen.
Tänzerisch-akrobatisch stellte die Gruppe verschiedene kleine Geschichten rund um Holz, Wald, Natur vor.
In einem Lied ging es zum Beispiel um ein Mädchen, das sich an seinen Freund aus Kindertagen erinnert: "In deinen Armen wiegte ich mich." Sie trauert um ihren alten Freund, den Baum, denn in der Morgendämmerung sei er "gefallen" - sanft läßt sich Tänzerin bei diesen Worten zu Boden fallen.
Dann spielen zwei Tänzer " Fangen" im Wald, der durch große, von der Decke hängenden Holzstäben dargestellt wird - ein amüsant dargestellter Wechsel aus "Brunftspielen" von Tieren und dem Liebesspiel eines Menschenpaares bringt die Zuschauer zum Lachen.
Nachdenklich wird die Stimmung, als die Überheblichkeit des Menschen gegenüber der Natur dargestellt wird. Gefährlich schwingen die Holzpendel im Raum - doch statt Respekt gegenüber den Naturgewalten zu zeigen, nutzen die Menschen sie zu arroganten Mutproben.
Die Holzobjekte werden schließlich zu Rodungsgeräten. Zu dumpfer" Urwaldmusik" bewegen sich die Tänzer durch den Raum und holzen den Wald ab.
Ein alter weiser Baum, eine Konstellation aus Mensch und Holz-objekten, kritisiert schließlich das heuchlerische, undankbare Verhalten der Menschen gegenüber der Natur. Seine Betrachtungen enden mit den Worten: "Wer verändert sich nun wirklich? Der, der zuerst lebt, und dann stirbt, oder der, der erst pflegt und würgt und einem schließlich das Leben abspricht?"
Zum Abschluß durften die Besucher die Objekte noch einmal "befingern". Hat sich durch das zwischenzeitliche Erlebnis irgendetwas verändert?
Der schallende Applaus des Publikums zeigt, daß es der Choreographin Maike Lenz gelungen ist, ein anregendes Stück zum Thema Umweltschutz zu inszenieren.Ebenso vielschichtig wie die Natur selbst, bietet auch "Wooden Heart" die Möglichkeit, Natur zu erleben und - im wahrsten Sinne des Wortes - zu begreifen.
25.07.2001 * (nmn)
"Varieté ist immer eine einmalige Geschichte. Sie wird nie zweimal in derselben Konstellation vorkommen", sagt Horst Lohr vom "ZAC Varieté". Das Programm des "2. Marburger Varieté-Sommers" stellten auf einer Pressekonferenz am Mittwoch (25. Juli) in der
Waggonhalle
die beiden künstlerischen Leiter Elke Siebler und Matze Schmidt vor. Vom 9. bis zum 26. August werden in einem ovalen Zelt neben der Waggonhalle sowohl Künstler auftreten, die den Marburgern bereits bekannt sein dürften, als auch solche, die in diesem Jahr ihre "Marburg-Premiere" feiern.
Zu den "alten Freunden", wie Waggonhallen-Pressesprecherin Franziska Lüdke die erste Gruppe nannte, gehören der Marburger Kabarettist Martin Schneider, "Les Frites Foutues" und das "Theater Narratek".
Schneider, obgleich hauptsächlich als Komiker bekannt, wird am 14. und 15. August "Tolldreiste Geschichten" von Honoré de Balzac lesen. "Les Frites Foutues" werden sich am 9. und 10. August mit ihrem "Mordsorchester" auf komisch- clowneske Weise durch die Berühmtheiten der Filmmusik spielen.
Komisch wird es auch am 18. und 19. August zugehen, wenn das "Theater Narratak" Homers "Odyssee" mit viel Witz zu neuem Leben erwecken wird. Bei diesem Theater handelt es sich nach Auskunft der Pressesprecherin nämlich um eines, dem keine Tragödie gelingt: "Egal was sie machen, es wird so, daß einem hinterher die Bauchmuskeln wehtun."
Eine Mischung aus Tanz, Pantomime, Musik und Schauspiel wird in diesem Jahr das Wiener "Masken- und Musiktheater" am 11. und 12. August mit ihrem Stück " Madame Tütü" bieten.
Chanson-Kunst präsentieren sowohl Tanja Haller und Martin Gärtner aus Gießen mit ihren "Beziehungsweisen" als auch der Deutsch-Holländer Sven Ratzke. Mit "Deutschland mein Schlagerhotel" läßt er die Stars der 70er Jahre wieder aufleben.
Anders als beim
ersten Marburger Varieté-Sommer
wird das "ZAC Varieté" in diesem Jahr die Veranstaltung nicht einstimmen, sondern sein neues Programm als "krönenden Abschluß" präsentieren. Horst und Dagmar Lohr, zwei Künstler des Varietés, nannten als seine wesentliche Attraktion den Jongleur Jochen Schell: seine Darbietung sei ein kreatives und innovatives Gesamtkunstwerk aus Bewegung, Mimik, Tricks und Musik. Zwei Illusionisten, die sich "Junge Junge" nennen, führen in Anlehnung an den Song "An Englishman in New York" ein szenisches Stück auf, in dem ein spießiger Engländer nach New York kommt und dort von einem Schuhputzer geärgert wird: dieser klaut ihm nach und nach all sein Hab und Gut. Durch Zauberei holt sich der Engländer sein Eigentum jedoch immer wieder zurück. Das Spielchen geht so weit, das sogar ein menschlicher Kopf weggezaubert wird.
Damit auch die Kleinen nicht zu kurz kommen, finden sonntagsnachmittags spezielle Kinderveranstaltungen statt, die neben dem Wiener "Masken-" und Musiktheater und dem Zauberer Juno auch vom "Buchfink-Theater" mit seinem Stück "Josephine und Parzival - Die Abenteuer einer Sau aus der Unterkuhle" angeboten werden.
Personen, die mehr als drei Karten kaufen, erhalten eine spezielle "Bonuskarte", auf die es am Abend der Veranstaltung einen Rabatt von 2 DM gibt. Mit dieser Karte sollen Familien entlastet werden. Solche Bonuskarten werden aber auch nach dem Zufallsprinzip in der Stadt, zum Beispiel in verschiedenen Programmheften, verteilt.
Horst Lohr hält Varieté schließlich für familienfreundliche Kunst: "Varieté ist keine Nightclub-Veranstaltung, wie viele meinen, sondern ein wirkliches Familienprogramm."
08.07.2001 * (FJH)
Noch vor einer Woche waren die Wetterprognosen für dieses Wochenende katastrophal. Eine Baustelle verursachte Porbleme für den Einstieg zum Drachenbootrennen. Und auch das Höhenfeuerwerk am Schloss stieß auf Sicherheitsbedenken. Peter Mannshardt und Stefan Baltzer vom
Marbuch-Verlag
konnten sich am Sonntagmittag (8. Juli) beruhigt zurücklehnen. Das Schloss ist nicht niedergebrannt, das von ihnen organisierte Stadtfest "3 Tage Marburg" (3TM) konnte sich herrlichen Wetters erfreuen, und beim Drachenbootrennen der Parteien lagen die Grünen knapp vor der SPD.
Hauptattraktion von 3TM war in diesem Jahr der
Maulbronner Kammerchor, der am Freitagabend (6. Juli) auf der Schlossparkbühne und noch einmal beim
Abschlusskonzert am Sonntagabend
(8. Juli) in der Lutherischen Pfarrkirche auftrat. Die stimmgewaltigen Sängerinnen und Sänger beherrschen Klassik und Pop gleichermaßen. Ihr Repertoire reicht von der Acappella-Version eines Beatles-Songs bis hin zu moderner geistlicher Musik.
Musik aller Stil- und Geschmacksrichtungen präsentierten zahlreiche andere Gruppen und Einzelinterpreten auf mehreren Bühnen im Stadtgebiet. Verkaufs- und Imbißstände, Karusells und eine kleine Eisenbahn auf Gummireifen sorgten für fröhliche Jahrmarktsstimmung.
Entstanden ist das alles aus einem Open-Air-Konzert des Marburger Magazins "Express" vor zehn Jahren auf der Schlossparkbühne. Der damalige Express-Chefredakteur und heutige Kulturamtsleiter
Richard Laufner
wolte auch etwas für die Freunde klassischer Musik bieten und organisierte am Vorabend des Pop-Konzerts ein Klassik-Open-Air. Rund um die Schlossparkbühne nutzten fliegende Händler bald schon in großer Zahl die Gunst des großen Besucherandrangs für ihre Geschäfte. Der Marburger Einzelhandel stieg mit ein; aus zwei Tagen wurden drei; der Veranstaltungsort rund um das historische Landgrafenschloss dehnte sich aus auf die gesamte Innenstadt.
Inzwischen ist "3TM" zum Ende des Sommersemesters ebenso zur festen Institution geworden wie der Elisabethmarkt zum Auftakt des Wintersemesters. Dazwischen herrscht in Marburg gähnende Leere, aber bei den beiden Festen ist der Andrang umso größer. Vor allem Besucher aus dem Marburger Umland füllten in diesen Tagen die Stadt. Inzwischen sei klar, dass Marburg die Mitte Deutschlands und Europas sei, bemerkte Oberbürgermeister
Dietrich Möller
am Sonntagmittag beim 3TM-Empfang im Sorat-Hotel, "aber dass wir auch die Mitte der Welt werden, daran müssen wir noch etwas arbeiten."
08.07.2001 * (FJH)
Die Frauen gehen nach rechts, die Männer nach links. Im Abstand von eineinhalb Metern bleiben sie stehen und bilden einen Kreis um die Kirchenbesucher. Dann heben sie an mit einem "Laudate!".
"Quadrophonie" ist nichts gegen das Hörerlebnis, das der
Maulbronner Kammerchor
den Besuchern des Abschlusskonzerts zum Stadtfest "3 Tage Marburg" (3TM) am Sonntagabend in der Lutherischen Pfarrkirche St. Marien verschaffte. Moderne geistliche Musik stand auf dem Programm. Mit meisterhafter Interpretation machten die süddeutschen Sängerinnen und Sänger daraus ein einmaliges Hörerlebnis. Gekonnt nutzten sie dabei die Akustik der gothischen Kirche.
Rechts trällerten die hohen Frauenstimmen, von links ertönten tiefe Männerbässe. Dann setzten sich alle in Bewegung und vereinten sich zum kraftvollen Finale vor dem Altar.
Während die F-Moll-Messe des - vor 100 Jahren verstorbenen - Josef Gabriel Rheinberger noch aus dem 19 Jahrhundert stammt, entstanden die anderen vorgetragenen Werke zwischen 1980 und 1998. Das "Summa" des esthnischen Komponisten Arvo Pärt interpretierte der Chor dabei ebenso exakt und ausdrucksstark wie das als männlicher Sprechchor mit weiblichen Singstimmen unterlegt beginnende und in beinahe spätromantischem Stil endende Stück des Letten Urmas Sisask.
Dann stellten sich die Sängerinnen und Sänger im Halbkreis um den Altar, um einzelne Töne minutenlang zu halten, lauter anschwellen oder leiser abklingen zu lassen. Es grenzte an Oberton-Singen, was bei Knud Nystedts Stück herauskam. Für diesen Höhepunkt der Gesangskunst erhielt der Chor erstmals Szenen-Applaus.
Die saubere und klare Stimmführung von der höchsten bis zur tiefsten Stimme versah der Chor zugleich mit einfühlendem Wechsel von Laut und Leise. So schaffte er eine Stimmung, die das gesungene "Hoch auf den lieben Gott" zu einer kontemplativen Sphärenmusik werden ließ.
Mit frenetischem Applaus erbat sich das Publikum vier Zugaben. Singend - wie sie gekommen waren - verließen die Künstler dann die Kirche. Das Publikum folgte den Stimmen nach draußen, hinaus in das laute Treiben des Marburger Stadtfests.
02.07.2001 * (FJH)
In der heißen Julisonne schmilzt Marburg nur so dahin. Wer nur irgend kann, flüchtet sich in fernere Gefilde, ans Meer oder den heimischen Herd treu sorgender Eltern. Die Schulferien haben schon begonnen; zum Wochenende endet nun auch das Sommersemester. Die Stadt entvölkert sich.
Die Busse fahren seltener; Kneipen und Geschäfte machen Betriebsferien. Auch der Veranstaltungskalender hat kaum noch etwas zu bieten. Das Sommerloch gähnt lustlos und träge mitten in Marburg.
Die Zurückgebliebenen sind die Zu-Kurz-Gekommenen. Ihnen bleibt nun kaum mehr an kulturellen Ereignissen als die allmittägliche Radfahrt zum Niederweimarer "Bagger"-See!
Seit Jahren jammern die Stadtoberhäupter über Schwierigkeiten bei der touristischen Vermarktung des einstigen Landgrafensitzes. Gerade in den Sommermonaten kommen die Touristen busweise; aber sie sehen nur ein verschlafenes Nest ohne Bevölkerung. Da war doch mal so ein Spruch: "Andere Städte haben eine Universität; Marburg ist eine Universität." Wo sind sie denn nur, die knapp 20.000 Studis?
Alle ausgeflogen!
Man trifft sich derweil am Mittelmeer. "Sind Sie nicht aus Marburg? Ich kenne Sie doch aus dem Marburger Stadtbild."
Wer aber sein Marburg liebt und auch im Sommer hier bleibt, wer aus beruflichen oder anderen Gründen unabkömmlich ist, den bestraft der Fluchtinstinkt seiner Mitbürgerschaft. Sechs Wochen gähnende Langeweile bei brütender Hitze grenzen schon fast an Folter. So bleibt jedem, der irgend kann, nur eins: Die Flucht!
28.06.2001 *
Schöne 20er: Hollaender, Kästner und Tucholsky im TNT
©
28.07.2001 by