27.08.2001 * (sap)
Auf die Gestapo wirkt sie wie das brave deutsche Mädel von nebenan. Ein wenig schüchtern und backfischhaft tritt die ehemalige BDM-Gruppenführerin beim Verhör dem Polizeibeamten Robert Mohr entgegen. Sophie Scholl, 21 Jahre, wird als Mitautorin Staatsfeindlicher Flugblätter verdächtigt. Ihr erstes Verhör ist der Einstieg in das Theaterstück "Die Weiße Rose", das in einer Inszenierung von
Ekkehard Dennewitz
am Sonntag (26. August) im vollbesetzten
Theater am Schwanhof
(TaSch) vor begeistertem Publikum Premiere feierte.
Im ersten Verhör gelingt es Sophie Scholl, Mohr von ihrer Unschuld zu überzeugen. Auch Hans Scholl mimt den Ahnungslosen, der als staatstreuer Student für Deutschland in den Krieg gezogen ist. Doch hartnäckige Polizei-Recherche deckt die einzelnen Gruppenmitglieder und ihre "Machenschaften" auf.
Fotos: Sophie Scholl,
rechts
Hans Scholl beim Verhör.
Während die "Weiße Rose" ihre Flugblätter in mehreren Städten Deutschlands veröffentlicht, kommen die Polizisten Robert Mohr und Anton Mahler ihnen auf die Schliche. Alle Verdächtigen werden einzeln verhört, doch keiner von ihnen will ein Geständnis unterzeichnen, in dem es heißt, sie hätten vom Inhalt der Flugblätter nichts verstanden. Sophie Scholl, Hans Scholl, Alexander Schmorell, Christoph Probst und Wilhelm Graf werden schließlich wegen Hochverrats zum Tode verurteilt.
Das Stück der - in den USA lebenden - Autorin Lillian Garrett-Groag ist schnell. Kurze Szenenfolgen sind vor allem in der Gegenüberstellung der einzelnen Verhörausschnitte spannungssteigerndes Element und haben fast filmhaften Charakter. Doch mangelt es dem Stück nicht an Spannung, sondern an Tiefgang. Kriminalstückartig werden die Zuschauer Zeugen eines Untersuchungsverfahrens. Die Abwechslung von Szenen über die Polizeiuntersuchung mit Szenen, in denen die Gruppe unter sich ist, hätte Möglichkeit zu einer Entwicklung geboten. Doch weder in den Persönlichkeiten der Gruppenmitglieder, noch in der Gruppendynamik ist eine Veränderung festzustellen. Geradlinig und klar hat und vertritt jeder Charakter eine ihn bezeichnende Haupteigenschaft, Garrett-Groag zeigt keine Brüche oder Schwächen auf. So sind die "Helden" die absolut guten, für das Böse ist allein Hitler verantwortlich. Auch die Gestapo-Beamten sind keine sich schuldig machende Stütze des Systems, sondern Menschen mit Stärken und Schwächen. Mohr, der selbst eine Tochter hat, wird von Jürgen Helmut Keuchel hervorragend gespielt. Er ist der einzige Charakter, der nicht geradlinig und klar ist, der schwankt zwischen seinem braven Beamtentum und dem Willen, diese jungen Leute vor dem Tod zu retten.
Es mangelt dem Stück an politischem Mut, die bekannten Pfade der Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit zu verlassen. Das Deutsche Volk, so meinen zumindest die Geschwister Scholl, besteht aus vielen "anständigen" Leuten. "Die haben doch nur Angst", meint Sophie Scholl. Allein dem belesenen Alexander Schmorell - Peter Meyer versteht es, ihn als widerständischen Schöngeist aus gutem Hause darzustellen - und dem Humanisten Christoph Probst (Stefan Gille) mangelt es an so viel Idealismus. Nur eine handvoll Studenten sei gegen Hitler, meinen sie. Doch auch hier findet keine wirkliche Auseinandersetzung statt.
Um das deutsche Gewissen zu beruhigen, gibt es einen kritiklosen Rückblick auf die "Weiße Rose". Konsequent gegen Hitler zu sein entzieht sich jeder Kritik. Die genauen inhaltlichen Forderungen der Gruppe werden außen vor gelassen, womit das Stück die politische Sprengkraft verliert, die es hätte haben können. Dies wird durch große schauspielerischen Leistungen wettgemacht. Erika Spalke überzeugt als Sophie Scholl vor allem in ihrem Monolog, wo sie in der Zelle auf die Urteilsvollstreckung wartet. Eine schauspielerische Meisterleistung vollbringt Bernhard Hackmann als Hans Scholl, man glaubt ihm seine Ideale als Weltverbesserer.
So wird das Stück - auch durch die brilliante Inszenierung von Ekkehard Dennewitz - zu einer guten Abendunterhaltung, in der jedoch nichts Neues über diesen kleinen, aber hochgefeierten Teil des deutschen Widerstandes zu erfahren ist. Dem Publikum wird nicht mehr abverlangt, als zumutbar erscheint. "Quod erat demonstrandum" - was zu beweisen war.
24.08.2001 * (nmn)
Wie Celina geht es vielen Mädchen und Jungen in aller Welt. Armut treibt sie in die Hände von Sextouristen und Menschenhändlern.
Im Rahmen der "Aktion Schutzengel" führten am Freitag (24. August) philippinische Jugendliche das Theaterstück "Es war einmal ein Traum" im
Kulturladen KFZ
auf. Die vom katholischen Hilfswerk missio ins Leben gerufene Aktion richtet sich gegen Sextourismus und Kinderprostitution.
Das Stück handelt von dem Philippinen-Mädchen Celina, daß in der Hoffnung auf einen guten Job mit einem Fremden ins Ausland geht. Sie möchte ihrer Mutter helfen, die krank und verschuldet ist. Doch ihre Hoffnungen zerschlagen sich, denn der "gute Job" entpuppt sich als Arbeit in einem Bordell. Gewalt und Demütigung in allen ihren Facetten werden Celina und ihren Freunden zuteil: tagtäglich müssen sie Schläge, Beschimpfung und Vergewaltigung von ihren reichen Arbeitgebern ertragen.
Eines der Hilfsprojekte von missio ist das Kinderschutzzentrum der philippinischen Organisation
Preda
in Olongapo City. Dort wird mißbrauchten Kindern durch Therapie und Rehabilitationsprogramme geholfen. Damit die Minderjährigen erst gar nicht in der Prostitution landen, unterstützt Preda mit gezielten Maßnahmen die arme Landbevölkerung.
Die 1974 gegründete Organisation "AKBAY" fördert dieses Projekt maßgeblich. Eine ihrer Aktivitäten ist "PETA", Philippine Educational Thaeatre Association, die durch Theateraufführungen Aufklärungsarbeit leistet.
Die aufwühlende Tragik des Stücks läßt die Gefühle der Theaterbesucher nicht kalt. Fassungslos müssen sie sehen - und begreifen - welch tiefes Elend Menschen zuteil werden kann - und welchen Einfluß der Egoismus unserer Wohlstandsgesellschaft darauf hat.
In die Handlung integriert sind philippinische Tänze und Musik, die für kurze Zeit den traurigen Inhalt des Stücks vergessen lassen. Außergewöhnliche "Bühnenbilder" sind dem Stück zu eigen - Diaprojektionen zeigen zum einen philippinische Landschaft, aber auch Kindern hinter Gitterfenster und symbolhaft deren Träume von Liebe und Freiheit.
An das etwa einstündige Stück schloß sich eine Diskussionsrunde mit dem Publikum an. Es bestand aus Marburger Schülern der Klassen 9 und 10 und deren Lehrern. Die sieben jungen Philippinos erzählten aus ihrem Leben: einige von ihnen kennen die Thematik des Stücks aus eigener Erfahrung. Für sie ist das Öffentlich-Machen ihrer Erlebnisse neben Aufklärungsarbeit auch eine Form der Therapie. Die anderen sehen sich als "Sprachrohr für ihre Freunde bei Preda". Gemeinsam wollen sie aufmerksam machen auf die bestehenden Probleme, Anstoß geben zum Nachdenken und Handeln. Auf politischer Ebene ist in den letzten Jahren endlich auch etwas geschehen: Die Philippinische Regierung hat die "UN-Kinderrechtskonvention" unterschrieben, und Gesetze zur Bestrafung von Kindesmißbrauch geschaffen. Daß mit dem einstigen Tabuthema heute offener umgegangen wird - neben Presse und Fernsehen trägt dazu nicht zuletzt PETA mit seinem Stück bei - führt auch dazu, daß viel mehr Fälle von Mißbrauch überhaupt angezeigt werden.
Auf der Verpackung getrockneter Mangos, die am Rande der Veranstaltung verkauft wurden, ist zu lesen: "Die im Rahmen der Aktion Schutzengel in Deutschland erhältlichen Mangos sichern die Existenz mehrerer tausend Kleinbauernfamilien auf den Philippinen und verhindern, dass Mädchen und Jungen in der Prostitution ums Überleben kämpfen müssen."
23.08.2001 * (nmn)
Ein "rundes Programm" bot das ZAC Varieté am Mittwoch (22.August). Anhand eines zusammengerollten
Waggonhallen-Programms veranschaulichte Zauberer Juno, daß die Qualität der Vorstellung wesentlich vom Applaus des Publikums abhängt: Je lauter geklatscht wurde, desto höher hinauf stieg durch Zauberhand die Papierrolle an einem "roten Faden" - und so sei es eben auch bei den Künstlern des ZAC Varietés, das bereits zum zweiten mal anläßlich der
Varieté-Sommer-Tage in Marburg auftritt: ihr Können werde "immer höher und höher geschaukelt" durch die Begeisterung des Publikums.
Und begeistert war das Publikum allemal von der abwechslungsreichen Show mit magischem Charakter.
Eine außergewöhnliche Jonglage-Darbietung brachte Jochen Shell: aus China kommende "Devel Sticks" oder "Diabolos" und Ringe tanzten in der Luft, tanzten mit ihrem Meister in einer eindrucksvoll-teuflischen Choreographie.
Die Ringe des Jongleurs wurden abgelöst von den runden "Filz-Scheiben", die das Stuttgarter Illusionisten-Duo "Junge Junge" und Andreas Römer aus Bremerhafen immer wieder zu neuen Kopfbedeckungen verwandelten. Eben noch Cowboys, waren sie eine Sekunde später schon Nonnen, Musikanten, Außerirdische. Von den "unbegrenzten Möglichkeiten", die die "Hüte ohne Ecken" haben, wie Zauberer Juno "Hut hoch drei" ankündigte, wurde das Publikum schnell überzeugt.
Doch die Jungs hatten noch weit mehr zu bieten.
Den Song "An English man in New York" erfüllten die Stuttgarter durch verblüffende Zauberkunststücke mit Leben: Der New Yorker Schuhputzer erweist sich als Taschendieb, der den korrekten Engländer pausenlos bestiehlt. Der Brite ist allerdings nicht auf den Kopf gefallen, und zaubert sich sein Eigentum stets wieder zurück. Das heitere Spektakel geht sogar so weit, daß der "englische Kopf" verschwindet.
Komisch ging es weiter, als die Zigarette, die sich Bauchredner Römer anzünden wollte, zu sprechen begann. Sie fürchtet sich davor, geraucht zu werden. Römer muß schwere Überzeugungsarbeit leisten - schließlich sind Zigarretten doch zum Rauchen da!? Sie zanken sich eine Weile. "Mach mich nicht an!" schimpft die Zigarette kokett. Genervt zündet Römer sie schließlich doch an - und siehe da: sie findet Gefallen daran. "Oh, mehr, zieh nochmal! Du machst mich heiß!", haucht sie ihm zu.
Gekonnt bezog Zauberer Juno das Publikum in die ZAC-Vorstellung mit ein, indem er sie zu Mitgliedern eines "Zauberer-Workshops" erklärte. Er zeigte ihm die Auflösung einfacher, kleiner Tricks, die allerdings nur durch die aktive Mithilfe der Zuschauer gelingen können. Gleichzeitig nahm er die "Workshop-Teilnehmer" aber auch freundlich auf die Schippe.
Musikalisch wurde das Programm abgerundet durch die warme Gesangsstimme von Daggie Lohr und die einfühlsame Klavierbegleitung von Uta Knoop.
Alle, die auch zaubern oder den "Fischkopf Opa Hansen" kennen lernen wollen, sollten sich die Möglichkeit dazu nicht entgehen lassen: noch bis Sonntag (26. August) ist das ZAC Varieté allabendlich um 20 Uhr in Marburg zu bewundern.
21.08.2001 * (nmn)
"So oder So ist das Leben" - mit diesem Lied von Friedrich Hollaender begannen Tanja Haller und Martin Gärtner am Dienstag (20. August) ihre "Beziehungsweisen" anläßlich des "2. Marburger Varieté-Sommers" im Zelt auf dem Gelände der
Waggonhalle. Von Liebe, Vertrauen, Versöhnen und Verstehen - hauptsächlich aber von den größeren und kleineren Problemen im Zusammenleben von Mann und Frau erzählen Chansons und Lieder von Friedrich Hollaender bis Kurt Weill.
Auf witzig-ironische Weise nimmt das "Ehepaar Haller-Gärtner" die spezifischen "Geschlechtermacken" auf die Schippe. Sie, eine Hausfrau, fühlt sich vernachlässigt von ihrem stets gestreßten, immer müden Mann, und träumt nun von all den schönen Dingen des Lebens: sie möchte wieder jung, begehrt, verliebt und erfolgreich sein. Aber bitte nicht irgend ein Geliebter soll her - es muß schon ein "Neandertaler" sein. Ihm macht das "Gezeter" seiner Frau mächtig zu schaffen: ständig meckert sie, hält ihn auf Trab, wird hysterisch. Seine Vorwürfe erwidert sie dann auch tatsächlich in einer Stimmlage, die wie das Meckern einer Ziege und das Wiehern eines Pferdes klingen.
Mit schauspielerischen und stimmlichen Höchstleistungen stänkern sie in einem fort, gehen sich absichtlich auf die Nerven - zur Erheiterung des Publikums. Denn: "Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte". Jeder möchte besser als die andere sein und Recht haben. Er beklagt: "Immer mußt du das letzte Wort haben!" Sie antwortet spitz: "Ich wußte ja nicht, daß du nichts mehr sagen wolltest!"
"Ein Abend zu zweit" vor dem Fernseher wird inszeniert: Gärtner legt seine Beine auf das Klavier. Haller strickt. Beide tragen ältere Kleidung und "Schlafmützen". Sie streiten über das Essen, das es gab, oder auch nicht gab. Oje, nun haben sie das spannendste aus dem Krimi verpaßt! An Liebe denkt da keiner - und doch: ehelicher Alltag.
All das Zanken und Streiten ist allerdings nie wirklich böse gemeint und hat immer auch einen Hauch von Erotik.
Der Höhepunkt wird erreicht, als Haller nach einem Randy-Newman-Song von ihrer Beziehung mit dem Gärtner erzählt. Auf ihre Aufforderund hin, vollführt Gärtner als Gärtner erotisch anmutende Bewegungen auf dem Hocker - er spielt zur Abwechslung nicht sitzend, sondern stehend und mit dem Po wackelnd Klavier. Nun setzt sich Haller vor "ihren Geliebten" auf den Schemel und zusammen begeistern sie das Publikum mit eindeutig zweideutiger Stimme und Bewegung.
Trotz all seinem Witz und lockerem Charme ist das Stück mehr als "spielerische Leichtigkeit". Die beiden Künstler aus Gießen betreiben durchaus auch ernsthafte Kritik an der Heuchelei eines allzu eingleisig denkenden Spießbürgertums.
Die "Beziehungsweisen" waren voll von Identifikationspotenzial für ihr Publikum, das all die Dinge, von denen da gesungen und gespielt wurde, mehr oder weniger gut kennt. Ein "Funken Liebe" macht wohl für jeden den anstrengenden Alltagstrott wett.
12.08.2001 * (sfb)
"Mehr Schein als Sein"- nur auf der Bühne? Dort im
Varietézelt
neben der
Waggonhalle
gab sich das Wiener Masken- und Musiktheater mit "Madame Tütü" am Samstagabend (11. August) ein Stelldichein.
Madame Tütü lautet der Name einer Künstleragentur, die für einen Mr. Brown in Hollywood arbeitet. Große Talente, heißt es, sollten ihm zugeführt werden. Doch bevor das Spiel auf der Bühne beginnen konnte, hatten skurille Mitarbeiter der Agentur ebensolche Fragebögen an diejenigen im Publikum verteilt, die auf Befragen einer Dame im aufreizenden Kostümchen "reich und berühmt" werden wollten. Was sind Ihre "herausragenden Fähigkeiten?" oder "Wie groß ist Ihr Brustumfang?" waren so Fragen.
Die Figuren, die dann der Reihe nach auf die Bühne traten, trugen tatsächlich überdimensional große Masken, die in den meisten Fällen eine urkomische Mutation aus Mensch und Tier darstellten. Es war nicht immer leicht auszumachen, welche Tierart sie aufs Parkett führten. Klar war aber, dass sich ausnahmslos alle zum Affen machten, - aufgeblähte Möchte-Gern-Künstler, die bei Madame Tütü mit extravaganten Darbietungen artistischer und musikalischer Art vorstellig wurden. Doch niemand konnte bei der schrulligen alten Dame, die gurrende, aber süße Quietschlaute von sich gab, Gnade finden. Nur das Publikum applaudierte nach jedem unrühmlichen Abgang der "Künstler", die völlig unbegabt, aber umso mehr von sich überzeugt waren.
Obwohl ein großes Heer von unermüdlichen auf und abgehenden Gestalten sich die Un- Ehre gab, kam keine Langeweile auf. Im Gegenteil, jede Darbietung übertraf die vorherige an Komik und Lächerlichkeit. Den absoluten Höhepunkt machte Frankensteins Monster gegen Ende der Vorstellung. Mit einem grauseligen Aussehen und einem fürchterlichen Bandoneumspiel lehrte es die sonst so couragierte Madame das Fürchten. Ebenso irritiert suchte sie das Weite, als sich eine hochbetagte Dame im "Ave Maria" erprobte. Tütü traute sich erst wieder aus ihrem Versteck hervor, als es vorbei war.
Die Stimmen, zu denen sich die urkomischen Pantomimen bewegten, kamen aus einem Lautsprecher, die Instrumente wie Klavier oder Violine spielten die vier Künstler zum Teil selber.
Am Ende überraschten die Wiener in einer ebenso witzigen Aufmachung und Sprache mit der traurigen Mitteilung, dass einige unter den Gästen doch nicht berühmt werden könnten. Hielt das Wiener Masken und Musiktheater dem amüsierten Publikum etwa einen ernüchternden Spiegel vor?
11.08.2001 * (sfb)
"Ein großes blaues Wunder" auf dem Gerhard- Jahn-Platz macht neugierig auf mehr. In der Kunsthalle eröffnete der
Marburger Kunstverein
am Freitagabend (10. August) eine Ausstellung unter dem schlichten Titel "Walter Libuda: "Malerei - Zeichnung- Objekt - Skulptur ".
Bevor der in Berlin lebende Libuda seinen Weg zur Ausstellugn Marburg genommen hatte, wurden seine Werke bereits in Japan , Frankreich und den USA bestaunt, ja er wurde sogar auf der Biennale in Venedig ausgestellt.
Dabei hat er klein angefangen: Mit 15 Jahren erlernte er ein solides Handwerk als Maler und Lackierer. Bereits in dieser Zeit waren seine künstlerischen Ambitionen erwacht. Er schloß sich dem "Zirkel für bildnerisches Volksschaffen des Kreiskulturhauses Altenburg" an. Anschließend wurde der in Zechau-Leesen geborene Künstler Theatermaler am Landestheater im ostdeutschen Altenburg. Studiert hat er dann an der Leipziger Hochschule für Graphik und Schreibkunst, wo die Karriere ihren Lauf nahm.
Seine Kunstwerke bestehen aus vielfältigen Materialien: Wachs, Gips, Holz, Farbe, Pappe, Mull, Ton Wachs und Keramik. Was Libuda aus diesen Stoffen macht, ist in der Kunsthalle zwar zu sehen, aber nach den Worten des 51-jährigen "nicht auf der Ebene des geschriebenen Wortes" zu erfassen.Haben wir es da etwa mit "des Kaisers neuen Kleidern" zu tun?
Der Betrachter sieht zwar wie das naive Kind in dem besagten Märchen tatsächlich keine Kleider, aber dafür unter anderem eigenwillig gestaltete Skulpturen aus Keramik. In der Tat: sie spotten jeder Beschreibung. Einige von ihnen erinnern an abgeschnittene Schneckenfühler in Großformat oder an Arterien, die aus einem ebenso undefinierbaren Körper herausragen. Bezeichnungen vom Künstler daselbst wie "die Geborgenheit der offenen Öfen" und "der Rhythmus der Tiefe" helfen da auch nicht weiter.
Auch seine Ölbilder verschließen sich mit ihren gezackten und ineinander verschobenen Strichführungen dem Betrachter. Verschlossen und trocken wirkt auch die Farbgebung der übrigen Bilder und Zeichnungen. Der Künstler hingegen ist da ganz anderer Meinung: "Die Farbe ist die Falle, sie steht für Verführung."
Wer sich dermaßen "verführen" lassen will, kann die Ausstellung in der Kunsthalle bis zum 19. September besuchen. Sie ist dienstags bis samstags von 11 bis 13 und 15 bis 19 Uhr, sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet.
10.08.2001 * (sfb)
Es ging nicht gerade taktvoll zu, aber ohne Takte erst recht nicht. Im Gegenteil! Zum Auftakt des
2. Marburger Variete-Sommers
mit 19 Veranstaltungen parodierte das Mordsorchester "Les Frites Foutues" am Donnerstagabend (9. August) Szenen aus Filmen der fünfziger bis siebziger Jahre. In einem Zelt neben der
Waggonhalle
spielte die Musik, wo es auch Getränkestände zum Verweilen gab.
Die berauschende Wirkung, die das neckische Treiben der musikalischen Pantomimen auf die Zuschauenden ausübte, dürfte allerdings den Getränkeumsatz reduziert haben. Einige unter den zahlreich erschienenen Zuschauern amüsierten sich über den musikalischen Klamauk sogar wie Kinder, wenn sie einen verzweifelt Suchenden auf eine Brille hinwiesen, die ein mitten im Spiel verstorbener Kollege zurückgelassen hatte.
Ja, ja, der Tod , der hat es dem Mordsorchester aus sechs Musikern angetan. Gleich zu Beginn gab eine Dame das vorzeitige Ableben eines anderen Musikerkollegen namens Klaus Engelbrecht bekannt. Dies war ein Grund, eine für Musiker v=F6llig unübliche, aber überzeugende und von Tränen begleitete Schweigeminute einzulegen. Kurz darauf verstarb der Mann am Saxophon einen erbärmlichen Gifttod. Doch nach der Pause erstand er in Gestalt eines ledergewandeten Rockers wieder auf.
Durch den Wolf drehte das Orchester vor allem die Musik aus Filmen, die in den Fünfziger bis Siebziger Jahren gedreht wurden: Der rosarote Panther, die glorreichen Sieben, Casablanca, Lovestory oder "Hängt ihn höher" sowie andere Filme, die ein "Lied vom Tod" spielten. In die musikalische Parodie der Stücke mischte sich ein eigenwilliges Konfliktmanagement der Musiker, die sich alle nicht ganz grün waren. Auf dem Niveau von Achtklässlern trugen die clownesken Musikakrobaten während des Spiels persönliche Konflikte aus. Mimisch zu den Szenen passende Pennälerstreiche wie Zunge-raus-strecken, Hauen, und vor allem akustisch wahrnehmbare Bewältigungsstrategien wie Schreie, Schüsse oder "dumme-Ziege "-Sagen , brachte das Orchester in seine professionelle Schief- und Schräglage. Gekonnt schräg war auch die Musik im Stil eines Zirkus-Orchesters. Sie und die clownesken Aktionen auf der Bühne bildeten eine amüsante Einheit, die Mord und Totschlag in den vielgesehenen Filmen parodierte.
Am Ende der Aufführung starben dann auch alle durch Gift oder an einem Herzschlag, aber nur um wieder aufzuerstehen und sich zu verabschieden.Ein im Spiel immer wieder angekündigtes Quiz erwies sich dann als eine raffinierte Werbekampagne für die neue CD.
Das nicht ganz ernstzunehmende Ende des Lebens, das beim Publikum sehr gut ankam, gilt sicher als gutes Omen für die Geburt des Variete-Sommers.
01.08.2001 * (sfb)
Was kühlt besser an heißen und schwülen Tagen - ein Bierchen oder eine Literaturlesung? Kein Bier, aber "eine kühle Lesung" versprach Eva Demski am Dienstagabend (30. Juli) im Rahmen der vierwöchigen Sommerakademie. Manch ein Zuhörer erhitzte sich aber , der anschließend doch zum Bier greifen mußte. Stein des Anstoßes war der Roman "Mama Donau", der - indes im symphatischen Tonfall vorgetragen - über die Zuschauermenge in der alten Aula der
Philipps-Universität
rollte.
Zweifellos waren die dargebotenen Geschichtchen locker und unterhaltsam. Sie handelten, wie der Titel der Geschichtensammlung verrät, über autobiographische Erlebnisse an, über und auf der Donau.
Sie fließt, so die gebürtige Regensburgerin, durch ihr Herz, und sie sei immer noch "das Instrument" für diesen Fluß. Andere tiefschürfende Sätze über die dunklen Tiefen des geschichtenumwobenen Flusses, auf dessen Grund Leichen liegen, wechselten mit lebensphilosophischen Einsichten des Dichters Joseph von Eichendorff über den ewigen Fluß der Jugend. Die poetisch formulierte Überlebensstrategie, sich vom Strom des Flusses tragen zu lassen, anstatt gegen ihn zu schwimmen, hat was. Doch geht Demski nicht in die Tiefe. Stattdessen machte die Romanschriftstellerin Anleihen bei Bert Brecht und dem unbekannten Autor des Nibelungenliedes.
Ihre literarische Bildung ist unverkennbar. Doch entsprachen die stark an der Oberfläche plätschernden Beschreibungen einer vergnüglichen Partygesellschaft auf einer Donaufahrt partout nicht dem Bild von dem schwarzen und traurigen Fluß. Welchen Tiefgang haben schon "Witwen in wehrhaften Kostümen , die über Söhne und Schwiegersöhne reden."?
Nie war von einer Lebenskrise die Rede, aus der die Autorin geläutert hätte hervorgehen können. Vergleichbares über Tod, Trennung oder Abschied fehlten ebenso - kein schmerzlich vermißter Liebhaber zum Beispiel, der in den Tiefen von "Mama Donau" versank. Stattdessen beschreibt sie im lockeren Stil, was sie in ihrer unbeschwerten und glücklichen Kindheit und Jugend an der Donau so machte: Schwimmen und Schlittschuhlaufen oder so.
Zur Ehrenrettung der preisgekrönten Schriftstellerin drängt sich der Verdacht auf, dass Demski die so beschriebene Oberflächlichkeit lediglich karikieren könnte. Doch fehlen leider deutliche Anzeichen hierfür.
Am Ende blieben ein trauriger Nachgeschmack und die bange Frage: Sind die Anleihen bei jenen namhaften Autoren nur die Federn, mit denen sich Demski schmücken will? Ihr Werk - sprachlich durchaus gelungen - scheut offenbar den Tiefgang und ist nicht in der Lage, aus sich zu glänzen, zu überzeugen. Die üblichen Wortmeldungen aus dem Auditorium zu den vorgelesenen Kapiteln blieben hinterher auch aus - aufgrund von Unterkühlung vielleicht?
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28.07.2001 *
Höfische "Tafel": Halmstad Kammarkör bot Musik und Tanz
TNT
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27.08.2001 by