28.10.2001 * (sfb)
"Lustig ist das Zigeunerleben ...", Romeo Franz (Violine), Anita Awosusi und Unge Schmitt (Gitarre) konnten auch ein Lied davon singen. Dazu eingeladen hatte die Friedrich-Naumann-Stiftung in das Theater am Schwanhof (Tasch 2). Die gut besuchte Matinee am Sonntagvormittag (28. Oktober) begleitet die
Ausstellung
"Der nationalsozialistische Völkermord an Sinti und Roma". Bis zum 9. November ist die Dokumentation in der Elisabethschule in der Reihe "Minderheiten in Deutschland" zu sehen.
Zu den
Fotos!
Das Programm "ROM SOM - Lyrik und Lieder der Sinti und Roma" beeinhaltet aber mehr als nur Lustiges. "Rom Som" heißt übersetzt "Ich bin ein Mensch". Rom Som heißt, wer im Namen der Menschenrechte die Menschenrechte verlor."
Das Trio vom Dokumentations- und Kulturzentrum deutscher Sinti und Roma in Heidelberg stimmte das Publikum mit viel melancholischem Swing ein. Stücke von Django Reinhardt und einige Evergrees aus den 50ern schrieben die Virtuosen um. Anita Awosusi präsentierte Texte, die Traditionelles sowie das Lebensgefühl der Sinti und Roma aus unterschiedlichen Ländern wiedergaben. Den Schwerpunkt bildeten spanische, ungarische und deutsche Lieder.
Schockierend waren Schilderungen, wie die SS sich ihre Zeit mit Grausamkeiten an Sinti und Roma vertrieb. Texte aus der Zeit der Verfolgung, schier Unerhörtes, klang in der traurigen Musik nach.
"Es war die Hölle auf Erden, unfaßbar. Niemand konnte helfen.", klagte Barbara Adler in ihren "Erinnerungen". Weinerliche - fast zynisch anmutende - Geigenmusik spielte auf, als bestialische Spielchen der SS mit einer Geigergruppe aus Sintos beschrieben wurden. Und immer wieder erklangen alte Evergreens wie "autumn leaves" zu Texten in der Sprache der Sinti. Sie vermittelten Echtheit.
Im lockeren und entspanntem Vortragsstil folgten Gedichte von Mateo Maximoff, einem Sinto, der über seine Gefangenschaft in den Pyrenäen schrieb. "Das Monster" hieß ein Gedicht über den Krieg.
Ein Czardasz zum "Aufatmen" leitete über zum zweiten Teil der Darbietungen.
Awosusi rezitierte Lyrik der ungarischen Roma und gefühlvolle Liebeslieder. "Yo soy gitano" heißen die unveröffentlichten Texte des spanischen Dichters Helios Gomes. "Gitano" ist jeder einzelne, der schwankend zwischen zwei Sphären schwebt.
Den Abschluß machten traditionelle Lieder der Sinti und Roma - Lieder zum Mitklatschen.
Applaus für die abwechslungsreiche Rezitation und die wunderschöne Begleitmusik, und Zugabe!
26.10.2001 * (sfb)
Lichtscheu stand er hinter der Kamera. Doch bald wird er selbst im Rampenlicht agieren. Frank Griebe soll am 8. März 2002 mit dem Marburger Kamerapreis ausgezeichnet werden. Dies gaben Bürgermeister
Egon Vaupel
und der Medienwissenschaftler Karl Prümm auf einer Pressekonferenz am Freitag (26. Oktober) bekannt.
Der mit 10 .000 DM dotierte Preis wird bereits zum zweiten Mal im Rahmen der Marburger Kameragespräche verliehen. Die
Philipps-Universität
und die
Stadt Marburg
haben die Auszeichnung im vorigen Jahr ins Leben gerufen. Das Preisgeld finanzieren die Stadt Marburg und der Kamera-Hersteller Arnold und Richter (Arri) . Der letzte Preisträger im Jahr 2000 war Raoul Coutard, der viele Filme mit François Truffault gedreht hat.
Auch der diesjährige Preisträger ist kein newcomer: Vier Preise gehen bereits auf sein Konto: 1994 bekam Griebe den "Deutschen Kamerapreis" für " Die tödliche Maria". Nur vier Jahre später folgte der "Bundesfilmpreis in Gold" für "Winterschläfer". Für die Streifen "Zugvögel" und "Lola rennt" sahnte der gelernte Kamera-Assistent 1999 ein mal mehr den "Bundesfilmpreis in Gold" ab. Die meisten Filme drehte der 1964 in Hamburg geborene Griebe an der Seite des bekannten Regisseurs Tom Tykwer.
Wer einmal einen Film von ihm gesehen hat, weiß, warum sich Griebe damals wie heute mit Ruhm bekleckert. Die faszinierende Kameraführung in Szenen aus "Die tödliche Maria" oder " Winterschläfer" beweisen es. Sie haben eine suggestive bis rauschhafte Wirkung auf den Betrachter. Griebe selbst habe die Kameraarbeit vor allem im Film "Winterschläfer" regelrecht erschüttert. Dabei sei er an die Grenzen seiner psychischen Belatbarkeit gegangen, so Karl Prümm, Professor für Medienwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg. Die Jury würdigt mit dem Marburger Preis Griebes formvollendete wie phantasiereiche Bildgestaltung. Weitere Kriterien sind seine Aktualität sowie die innovativen Impulse für den deutschen Film.
Wer will, kann selbst urteilen und mitreden. Die Marburger Kameragespräche bieten vom 6.bis 8. März 2002 Gelegenheit zu intensiven Gesprächen und Auseinandersetzungen. Stoff dazu liefern Fachvorträge, Filmvorführungen sowie Diskussionsrunden mit dem Preisträger höchstpersönlich.
Um sich auf die Preisverleihung im März 2002 einzustimmen, bietet die Medienwissenschaft eine seminarbegleitende Veranstaltungsreihe über "Kameraarbeit im Film" an. Sie beginnt am 14. November und endet Anfang Februar 2002 mit zwei Filmen Griebes. Ort des Geschehens sind die Lichtspieltheater "Palette" und "Kammer" am Steinweg. Na dann: Film ab!
21.10.2001 * (FJH)
"Ich bin doch nur ein ganz gewöhnlicher Schauspieler", sagt Hendrik Höfgen. Ein "gewöhnlicher Schauspieler" war
Gustav Gründgens
aber nicht. Die Verstrickung des berühmten Darstellers, Regisseurs und Theaterintendanten in den Faschismus bildet den Stoff für
Klaus Manns
"Mephisto - Roman einer Karriere". Ariane Mnouchkines Theaterbearbeitung dieses 1936 in Amsterdam erschienenen Polit-Psychogramms feierte am Samstag (20. Oktober) in der ausverkauften Stadthalle Premiere.
Es beginnt am 9. November 1923 an den Hamburger Kammerspielen: Das Publikum schaut von hinten auf die Bühne. Der Blick hinter die Kulissen fällt auf Schminktische und auf die Rücken der Schauspieler, die sich nach der Vorstellung bei tosendem Applaus verneigen. Hendrik Höfgen (Peter Liebaug) brilliert als Hamlet.
Zusammen mit seinem Kollegen Otto Ulrich (Peter Meyer)
agitiert er nebenbei die Arbeiterklasse im kommunistischen Kabarett "Sturmvogel". Erleichtert stoßen sie mit französischem Champagner auf ihren Bühnenerfolg und den misslungenen Kapp-Putsch Adolf Hitlers an.
Kühl-distanziert verfolgt die Inszenierung nun die weitere Entwicklung Höfgens vom kommunistischen Provinzschauspieler in Hamburg zum Nazi-Günstling und Bühnen-Star in Berlin. Wie Johann Wolfgang Goethes Dr. Faust verbündet sich Höfgen mit dem Teufel. Der schwache Charakter hat etwas Mephistotelisches. Er lehnt sich an starke Frauen wie Barbara Bruckner (Erika Spalke) an oder sucht Peitschenhiebe statt Streicheleinheiten bei Juliette (Penelope Murdock). Höfgen weiß nicht, wer er ist.
Je stärker die "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter Partei" (NSDAP) wird, desto stärker tritt Höfgen auf. Untergebene wie den NSDAP-Schauspieler Hans Miklas (Michael Boltz) läßt er seine Macht spüren. Gegenüber dem nationalsozialistischen Ministerpräsidenten verhält er sich aber unterwürfig, wachsweich und fast willenlos. Für ihn zählt nur der eigene Erfolg.
Amerikanische Swing-Musik und knappe Kommentare über Lautsprecher begleiten Hendrik Höfgen auf seinem Weg vom - scheinbar - überzeugten Kommunisten zum opportunistischen Nazi. Manchmal kommt seine Unsicherheit durch: "Bin ich wirklich so ein Schurke?"
Überzeugend dokumentiert der Schauspieler Liebaug den Schauspieler Höfgen, der immer nur ein Schauspieler ist. Die distanzierte Darstellungsweise unterstreicht die Konturlosigkeit Höfgens. Gleichzeitig zieht sie das Publikum mehr und mehr in ihren Bann, wie der Faschismus Höfgen in seine Fänge. Am Ende ertönt nur höhnisches Gelächter.
In "Mephisto" setzt sich der 1908 geborene Klaus Mann mit seinem Schwager auseinander. Gustav Gründgens wurde 1899 in Düsseldorf geboren. 1926 heiratete er Erika Mann. Gründgens starb in der Nacht vom 6. zum 7. Dezember 1963 in Manila während einer Weltreise. Bis dahin hat er 600-mal den Mephisto gespielt.
Klaus Mann, ältester Sohn von Katia und Thomas Mann, verbrachte die Nazi-Zeit im Exil. Über Paris und Amsterdam gelangte er 1937 nach Amerika, wo er seine Schwester Erika wieder traf. Der Journalist und Schriftsteller beging am 21. Mai 1949 in Cannes Suizid.
Sein "Mephisto" sorgte jahrelang für Aufregung: 1949 lehnte Klaus Manns deutscher Verlag die Veröffentlichung des Manuskripts ab. Eine Klage der Erben des dargestellten Darstellers verhinderte bis 1981 eine Veröffentlichung des Werks in Deutschland. In Frankreich erarbeitete Ariane Mnouchkine 1975 indes die - jetzt von Ekkehard Dennewitz meisterhaft umgesetzte - Bühnenfassung.
Nach der Verfilmung des Stoffs durch Isvan Szabo mit Klaus Maria Brandauer als Höfgen wurde auch der Roman zum Bestseller.
Von dessen Bekanntheit scheint nun auch das
Hessische Landestheater
(HLT) zu profitieren. Durchweg gute Leistungen aller Beteiligten machen "Mephisto" zur besten Inszenierung der Marburger Bühne. Die
Auseinandersetzung mit dem Faschismus
bietet ihr in jüngster Zeit aber auch ein wohlfeiles Thema.
13.10.2001 * (sfb)
Man muss nicht einen in der Krone haben, um dem gewöhnlichen Alltag zu entfliehen. Das "Krone Festival 2001" tuts auch.
Zirkus Krone, Europas erste Adresse mit langer Tradition, gab sich am Freitagabend (12. Oktober) auf dem Messeplatz Afföller die Ehre. Mit holländischem Akzent hat der Direktor höchst persönlich die Artistennummern angekündigt. Exotik auf der ganzen Linie war angesagt. Der Choreograph Gene Reed besorgte die Darbietungen der schillernden Tanzgruppe "Nicolai Tovarish" und "Das Krone-Ballett". In spanischem, russischen, orientalischem oder irischem Gewand erschienen sie vor oder parallel zu den Artistennnummern.
Dann ging es höchst animalisch zu, wenn streng riechende, aber süße Geschöpfe der Wüste, eine Löwin mit ihren sechs Jungen, unter der Peitsche des Dompteurs Martin Lacey jr. übereinander sprangen, am Gitter entlang liefen oder Menschliches-Allzumenschliches zeigten. Gutmütige Dickhäuter kreisten, schaukelten oder stapften über die sandige Zirkusarena. Zebras, eine langhalsige Giraffe sowie Pferde erbrachten den akrobatischen Beweis, das ihre unbändige Natur durchaus bezwingbar ist. Die Dresseurinnen Jana Mandana und Sylvia Schlicker machten ihre Sache tierisch gut. Auch Direktorin Christel Sembach-Krone präsentierte eine bravouröse Dressur erst mit großen Pferden, danach mit niedlichen Shettland-Ponies.
Besonderes Aufsehen erregten weiß gekleidete Luft-Akrobaten der Gruppe "Borzovi", die inmitten eines faszinierenden Lichterspiels, kunstvolle Pirouetten sowie Vorwärts- und Rückwärtssaltos hoch über dem Boden vollführten. Gut, dass ein Netz unter dem himmlischen Treiben gespannt war, denn die Nerven des Publikums waren dem Zerreißen nahe. Nicht minder atemberaubend war das Kosackenreiten der Truppe "Iriston" auf wild gallopierenden Pferden.
Modernes war mit Altem gepaart. Hochseilakrobatik wechselte mit Inline-skatern der "Flying Rolls Boys". Das "Duo Manducas" mischte das Publikum in alter Zirkustradition auf. Auf dessen Köpfen vollführten die zwei komischen Kaftakrobaten einen Handstand. Ein Zirkusorchester, das das Programm formgerecht abgerundet hätte, mußte bedauerlicherweise hektischer Musik aus Lautsprechern weichen. Insgesamt aber entführte die Krone der Zirkusse in eine phantastische Welt königlicher Phantasie.
Mit standing ovations verabschiedete sich das Publikum von dem Zirkus, der in seiner 96jährigen Geschichte erstmals in Marburg gastiert. Bevor der "Zirkus Krone" mit seinen zahlreichen Artisten, Tieren , Wohn-, Pack- und Gerätewagen weiterzieht, ist er noch bis Mittwoch (17. Oktober) jeweils um 15.30 und 20 Uhr und am Sonntag um 15 und 19 Uhr zu sehen. Manege frei!
13.10.2001 * (nmn)
Geheimnisvoll muten die "kosmischen Phantasien" der Julia Wagner an, die die Künstlergruppe "Paradox" seit Freitag (12.10.) im
Congress Center Marburg
(CCM) ausstellt.
"Paradox", 1996 gegründet, versteht sich als freie Interessengemeinschaft von internationalen Künstlern, die mit wechselnder Besetzung an verschiedenen Ausstellungen oder Projekten teilnehmen. Eines ihrer bisher bedeutendsten "events" fand in den Sommermonaten der Jahre 1998 und 2001 auf Helgoland unter dem Titel "Kunst ist eine Insel" statt: 35 Künstler - Maler, Bildhauer, Installationskünstler - verzauberten während dieses Kunstfestivals die gesamte Urlaubsinsel in eine einzige lebendige Galerie. Für 2004 ist die nächste Veranstaltung dieser Art auf Helgoland geplant. "Kosmische Phantasien" ist bereits die 14. "paradoxe" Ausstellung im
Software Center Marburg
(SCM).
Mit ihrer kosmisch-mystischen Malerei drückt Julia Wagner ihre ganz eigenen Sichtweisen vom Erdendasein, vom Lebenssinn, vom Universum aus. Dargestellt in kräftigen Farben und kontrastreicher Umsetzung, vermittelt sie dem Betrachter, wie bunt und voll von spannenden Geheimnissen sie sich den Kosmos vorstellt. Ohne Lebendiges darzustellen, strahlen ihre Bilder eine enorme Lebensfreude aus. Gleichzeitig schreien sie die Frage "Wer sind wir?" ins Angesicht des Betrachters. Die Antwort, die in den Bildern zu lesen ist, lautet: "Wir sind nur ein klitzekleiner Teil des riesigen, faszinierenden Universums."
Mit dem Urknall begann alles Sein. Dass die Künstlerin eine positiv- optimistische Lebenseinstellung hat, spiegeln nicht zuletzt ihre farben-frohen "Urknall-Phantasien" wider. Auch die "Kleine Hexe" - einziges dargestelltes Lebewesen der Ausstellung - mit feuerroter Mähne , die nackt auf ihrem Besen durch das Universum reitet, scheint lebens- und abenteuerlustig zu sein.
B.J. Anthony, "Häupling" der Paradox-Gruppe, lobte die Vielseitigkeit der Künstlerin und die Energie, mit der sie sich in ihre Arbeit stürzt und in der sie auch lebt.
Die energiegeladenen Gemälde Julia Wagners können noch bis zum 31. Januar 2002 im Foyer des Congress Centers bewundert werden. Montags bis freitags zwischen 9 und 18 Uhr bieten sie phantasievollen Kunstfreunden eine spannende Reise durch das Universum.
12.10.2001 * (sfb)
"Früher war ich ja mal berühmt.", meinte der Liedermacher Stephan Krawczyk. Immerhin füllte er am Donnerstagabend (11. Oktober) das "Szenario" im Auflauf mit seinem neuen Programm "Ja, sagt die Fremde" bis auf den letzen Platz. Eingeladen hatte ihn die Karl - Hermann- Flach-Stiftung .
Was war denn früher? In den 80er Jahren erregte Krawczyk mit regimefkritischen Auftritten in ostdeutschen Kirchen den Zorn der Stasi. Repressalien und Inhaftierungen waren die Quittung. Schließlich hat man ihn 1988 in den Westen abgeschoben.
Mittlerweile hat er sich hier auch als Schriftsteller einen Namen gemacht. 1992 erhielt Krawczyk den Bettina-von- Armin-Preis für "Schöne neue Welt - 100 Lyrik und Prosatexte". Der 1996 erschienene autobiographische Roman "Das irdische Kleid" folgte. "Bald" kam 1998 auf den Markt.
Gestern stellte der in Berlin lebende Künstler dem Publikum seine beiden letzten Bücher "Steine hüten" und "Feurio" vor. Darin beschreibt er die Zersplitterung sowie den Terror der Welt und nicht zu vergessen die Liebe. Apropos Terror: wer einmal ein Schützenfest mitmachen mußte, weiß wovon die Rede ist, wenn Krawczik aus seinem Werk zitiert. Bei soviel Leid angesichts des merkwürdigen Treibens auf dem Fest der Schützen überlegt er die Überlebensstrategie, "es nur schön finden zu müssen, dann hört der Schmerz auf." Da das nicht funktioniert, fährt er stattdessen an einen See, um sich von den Eindrücken zu läutern.
Der 1955 in Weida/Thüringen geborene Krawczik übt seine Gesellschaftskritik nicht in verbissen-depressiver Kampfmanier, sondern scheint die störenden Dinge um ihn herum mit stoischer Heiterheit zu nehmen. Locker vom Hocker zitiert er die weniger lockeren Sprachgepflogenheiten der Deutschen. Wenn die Eskimos viele Ausdrücke für Weiß haben, kündet das von Dingen, die sie umgeben. Die Deutschen sprechen von Senf, Käse, Scheiße, Mumpitz usw., von Dingen also, die sie nicht nur umgeben, sondern in sich tragen.
Sein gestern vorgestelltes Programm beinhaltet noch mehr. In Gitarren- oder Bandoneumbegleitung präsentierte Krawczyk Liedtexte vor allem zum Thema Liebe. Wortspiele, in denen es um ein gerissenes Tier geht, dass sich die Wunden leckt, oder um Konsumkinder, die ihren Überdruß durch Überfluß überwinden, beeindruckten.
Bei seinen Liedern sind immer wieder Anklänge an Bertold Brecht oder Wolf Biermann zu hören. Bei den eigenen Werken dominiert das selbst Erlebte, das der Schriftsteller und Liedermacher verarbeitet, ohne einen "Fachmann für die Seele" konsultieren zu müssen. Alles was er schreibt, sei Realität. Damit beantwortete er auch die Kritik einer Frau, die mindestens 5.- DM ihres Eintrittgeldes zurück haben wollte. Ein Lied, in dem es um das Essenkochen und darum ging, was man stattdessen tun könne, sei ihr zu "furchtbar".
Mehrheitlich erzielte Krawczyk jedoch gute Resonanz. Applaus ist das Brot des Künstlers, so der Liedermacher. Drei Zugaben mußte er dem applaudierenden Publikum zu seinem vielseitigen Auftritt liefern. Wirklich schlecht war nur die Luft.
10.10.2001 * (sfb)
Die Schnupperprobe beweist: Es kommt frisch aus der Druckerei. Das Faltblatt "Historische Kleinstädte im Marburger Land" hat Dr. Lutz Münzer, freiberuflicher Historiker und Geograph, auf einer Pressekonferenz am Mittwoch (10.Oktober) im Marburger Landratsamt präsentiert.
"Die in 12.000 Exemplaren vorliegende Broschüre ergänzt das touristische Informationsangebot über das Marburger Land.", fand Hartmut Reiße, Geschäftsfüher des Fremdenverkehrsverbandes Marburg-Biedenkopf.
Mit leicht verständlichen Texten, eindrucksvollen Farbfotos sowie selbsterstellten Stadtkarten informiert das 12-seitige Faltblatt über fünf altehrwürdige Städtschönheiten im Kreisgebiet. Ein historischer Abriss stellt zum Beispiel die geschichtsträchtige Amöneburg vor, wo die Christianisierung in Nordhessen begann. Auch die Städte Homberg und Kirchhain sind attraktive Sehenswürdigkeiten, die viel Beachtung verdienen. Kirchhain beispielsweise war das Bollwerk gegen die Mainzer Bischöfe. Neustadt ist als größter Fachwerkrundbau Europas geschichtlich wie optisch interessant. Und Schweinsberg gilt als "Stadt der hessischen Erbschenken".
"Warum dicke und teure Bücher mitschleppen, wenn es ein handliches Faltblatt auch tut", so der Historiker. Diese Einsch&aum;tzung hat neben beruflichem und fachlichem Interesse auch eine Rolle bei Münzers Idee zu diesem Faltblatt gespielt. Als weiteres kommt die Begeisterung für die Vielfalt der natur- und kulturräumlichen Landschaft hinzu, die Münzer bereits mit seinem Zuzug in die Marburger Region vor 20 Jahren entdeckt hat. Diese Landschaft mache einen urtümlichen und verfallenen Eindruck auf ihn.
Die historischen Städte im Marburger Land, die Münzer liebevoll "Perlen" nennt, sind getrost weiterzuempfehlen. So ist seine Broschüre an Touristen der Stadt Marburg adressiert, die Lust haben, das Umland kennenzulernen. Das Faltblatt bietet aber auch alteingesessenen Bewohnern dieser Region attraktive Ausflugziele, besonders im Winter.
Die Faltblätter sind über den Fremdenverkehrsverband des Landkreises Marburg- Biedenkopf , die Tourismus GmbH, den Fotoladen am Grün sowie die Sparkasse erhältlich.
Damit bei diesem kulturhistorischen Projekt keine "Perlen" vor die Säue geworfen werden, sollten Sie mal schnuppern.
05.10.2001 * (nmn)
Bilder oder keine Bilder - diese Frage drängt sich beim Betrachten der Werke Leo Zogmayers auf, die seit dem 28. September im Erdgeschoss der Kunsthalle am Gerhard-Jahn-Platz zu bewundern sind.
Zogmayer macht die einzelnen Ausstellungsobjekte an sich, die Objekte in ihrer Zusammensetzung und die freibleibende Wand zwischen ihnen zu Gegenständen seiner Kunst. Er haucht Holzstücken und Glasplatten Leben ein, indem er sie bemalt und Schriftzeichen einarbeitet. Wie Bretter wirkende "plastische Bilder" und flache Rahmen mit Titeln wie "Rot", "Blau", "Weiß" oder "Schön" entstehen. Der Reiz der Werke ist bestimmt von ihrem Verhältnis zum Raum. Eine bewußt gewählte Anordnung der "Bilder" zueinander und zur Wandfläche läßt den Ausstellungsraum gleichsam als ein Gesamtkunstwerk erscheinen. Er wird zum Bildraum - der Betrachter bewegt sich im Bild.
Die moderne Kunst hat das herkömmliche Verständnis vom Bild-Begriff in Frage gestellt. "Bild" muß nicht mehr Imaginäres innerhalb eines Rahmens, Allgemeingültiges außerhalb des Alltäglichen sein, sondern darf "den Rahmen sprengen". In der "Minimal Art" lösen Rahmen sich auf und verschwinden, werden Wände zu Bestandteilen des Werkes, sind Bilder "eine - instabile - Menge von Interaktionen zwischen dem Künstler und dem Werk, dem Werk und seinem Umraum, dem Raum und dem Betrachter" .
Mit der Bereitschaft, Teil dieser Interaktion zu werden, wird man die Vielfalt der "Bildgegenstände" Leo Zogmayers erkennen, und die Faszination moderner Kunst begreifen.
Vom "herkömmlichen Bild-Begriff" macht Alfred Hrdlicka im ersten Obergeschoss der Kunsthalle Gebrauch. Gegenstand seiner Gemälde und Plastiken sind Extremzustände im menschlichen Erleben. In den dominierenden Farbklängen rot und schwarz erzählt er Geschichten = von Gewalt, Schmerz, Tod und Trieben. Ketten und Schwerter, Galgen und Gräber sind häufige Motive, um die Grausamkeiten des Krieges darzustellen. "Russlandfeldzug" oder der "Zyklus Französische Revolution" sind hier zu nennen. Aber nicht nur Ereignisse aus der Geschichte, sondern auch Momente aus der Literatur wählt der Künstler, um Abgründe des menschlichen Lebens aufzuzeigen. So enthauptet Kriemhild Hagen, nachdem dieser zusammen mit Volker seinen Blutdurst gestillt hat, Faust und Mephisto sind im verbitterten Kampf gegen Valentin zu sehen, und auch Woyzeck - der Inbegriff menschlicher Verzweiflung - fehlt nicht.
Diese Figuren kämpfen allerdings nicht nur - sie haben auch körperliches Verlangen nach dem anderen Geschlecht. Neben Faust und Kriemhild kommen beispielsweise auch "gefangene Aristokraten" der französischen Revolution und andere "Leibeigene" in den Genuß der körperlichen Liebe.
Auch der "Kunst der Verführung" hat Alfred Hrdlicka einen ganzen Zyklus gewidmet.
Trotz häufiger Skizzenhaftigkeit sind die Werke Hrdlickas von einer enormen Anziehungskraft. Gekonnt setzt er mit Kreide, Aquarell und Pastell farbige Akzente in das "Kohle-Dunkel".
Noch bis zum 14. November können sich die Marburger Bürgerinnen und Bürger in der Kunsthalle des "marburger kunstvereins" von der kreativen Vielfalt der beiden so verschiedenen Künstler überzeugen.
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15.09.2001 *
Geld oder Liebe: Thomas Freitag im KFZ
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28.10.2001 by