29.09.2001 * FJH
Im Zeichen der Sonnenblume sind sie vor 20 Jahren angetreten. Damals wollten sie alles anders machen als die "etablierten Parteien". Aber inzwischen sind auch die Grünen da angekommen, wo sie 1981 nie hinwollten: An der Regierungsmacht.
Im
Landkreis Marburg-Biedenkopf
regiert die einstige "Öko-Partei" jetzt gemeinsam mit CDU, FDP und Freien Bürgern. Erwartungsgemäß wurde ihr
Bewerber, der Politologe Dr.
Carsten McGovern,
am Freitag (28. September) zum 2. Kreisbeigeordneten gewählt. Als einziger Kandidat erhielt der 37-jährige 43 Stimmen. Damit hat ein Abgeordneter aus der nun regierenden Koalition nicht für den bisherigen Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen gestimmt. McGovern übernimmt die Zuständigkeit für das Ressort Familie, Jugend und Soziales, für den Eigenbetrieb Gebudemanagement, den Zweckverband Regionaler Nahverkehrsverband (RNV), das Amt fr Umwelt und Naturschutz sowie das Gesundheitsamt.
Auch die
Abwahl
der Grünen-Stadträtin
Ulrike Kober
im zweiten Wahlgang und die anschließende Berufung ihres "Parteifreunds" Dr.
Franz Kahle
zum 1. Stadtrat der
Universitätsstadt Marburg
war am selben Tag nur noch eine Formsache. Für Kobers Abberufung stimmten 30 Stadtverordnete, während Kahle nur 29 Stimmen erhielt. Damit verweigerte ein Mitglied der regierenden Stadtkoalition dem Amtsrichter seine Zustimmung.
In einer persönlichen Erklärung vor dem Parlament kritisierte Kober "mangelnde Solidarität" und den unverhohlenen Drang - insbesondere des SPD-Fraktionsvorsitzenden
Norbert Schüren
an die Macht.
Derweil denkt in Berlin der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck laut über die Zukunft der rot-grünen Koalition nach. Außenminister Joschka Fischer gab ihm am Samstag (29. September) Kontra: Die Grünen seien sich der Konsequenzen, die mit der Regierungsverantwortung verknüpft seien, durchaus bewusst.
Das bedeutet, sie sind zu fast allem bereit, nur um an der Regierung zu bleiben. Wählerinnen und Wähler haben dieses Verhalten - zuletzt bei der Hamburger Bürgerschaftswahl am 23. September - mit massiven Stimmverlusten quittiert. Strucks Überlegungen stellen ein weiteres Absinken grüner Wahlergebnisse unter die 5-Prozent-Hürde in Rechnung. Das musste fischers Protest geradezu herausfordern: Derartige Äußerungen seien "wenig hilfreich". Fragt sich nur, was den Grünen überhaupt noch helfen kann?
Eine Existenzberechtigung zwischen SPD und FDP haben sie nicht mehr, seitdem sie mit staatsmännischem Getue für Militäreinsätze auf dem Balkan und für "uneingeschränkte Solidarität" mit den USA nach den Terroranschlägen von Washington und New York votiert haben.
Auch im Kleinen - im Kreis und in der Stadt - werden kaum Konturen eigenständiger grüner Politik sichtbar. Deutlich bemerkbar machen sich hingegen Kungeleien und das rücksichtslose Streben der Grünen Politiker an die Macht. Der einstige Wahlspruch "Wir haben die Erde nur von unseren Kindern geborgt" müsste heute ehrlicherweise umformuliet werden in "Wir haben unsere Ämter nur von unseren Parteifreunden erkäpft".
Mit einem solchen Verhalten macht sich die Partei aber überflüssig. Andere Schwänze wackeln gekonnter mit dem Hund. Das heißt dann auf Dauer: Abschied von der Macht. Und dann weint denen, die sich heute für unheimlich wichtig halten, kaum noch einer eine Träne nach.
22.09.2001 * FJH
500 europäische Städte haben am Samstag (22. September) mit der Aktion "Mobil ohne Auto in die Stadt" für das Umsteigen auf Öffentliche Verkehrsmittel geworben. Auch Marburg hat sich an dieser Aktion beteiligt: Der Erlenring war am Samstag für den Autoverkehr gesperrt.
In einem historischen Bus der
Omnibusfreunde Marburg
(OFM) informierte der Deutsche Kinderschutzbund vor dem Tegut-Supermarkt neben der Mensa über seine Arbeit. Einige Passantinnen und Passanten nutzen die seltene Gelegenheit, auf der vierspurigen Straße zu flanieren.
Ansonsten hat man in Marburg aber kaum etwas von dem "autofreien" Tag gemerkt. Vor einem Jahr war immerhin noch das ganze Lahntal zwischen Marburg und Kirchhain autofrei gewesen. Die ganze Stadt, nur ein einziges Mal und ein einziges Wochenende im Jahr, völlig autofrei - das wärs!
21.09.2001 * FJH
Unter dem Motto "Recht, nicht Rache" ruft die
Marburger Friedensinitiative "Nein zum Krieg!"
für Freitag (28. September) zu einer Demonstration gegen Militarisierung, Fremdenfeindlichkeit und Abbau demokratischer Rechte als Reaktion auf die
Terroranschläge in New York und Washington
auf. Eine
Zeitungsanzeige
soll dazu am Mittwoch (26. September) in der
Oberhessischen Presse
(OP) erscheinen. Die Unterzeichner fordern darin "soziale Gerechtigkeit für alle" und wollen dem "Terrorismus durch zivile Maßnahmen begegnen".!
Bis Montag um 15 Uhr haben Interessierte Gelegenheit, ihre Unterschrift dem
DGB-Büro in der Liebigstraße zur Veröffentlichung unter dieser Anzeige zu übermitteln.
Die Demonstration wurde bei der Sitzung der Friedensinitiative am Donnerstagabend (19. September) verabredet. Nach der Diskussionsveranstaltung "Der Terroranschlag und seine Folgen
- Bedrohung für den Weltfrieden?" am Vorabend im Hörsaalgebäude hatten bei diesem Initiativentreffen mehr als 30 besorgte Bürgerinnen und Bürger den Wunsch nach einer Protestaktion gegen die angekündigten "Vergeltungsschläge" geäußert. Die Demonstration beginnt am Freitagnachmittag um 16 Uhr vor der Stadthalle in der Biegenstraße.
20.09.2001 * (sap)
Waren
die am 11. September in den USA verübten Terroranschläge
eine Kriegserklärung? Liegen die Ursachen des Terrors im Konflikt zwischen Arm und Reich oder im Konflikt zwischen Islam und Christentum? Wie kann und wie sollte jetzt reagiert werden?
In diesen Tagen sind das Fragen, die oftmals sehr emotional diskutiert werden. Das Bedürfnis nach einer fundierten, wissenschaftlichen Debattem war mehr als groß, wie an dem - für politische Diskussionsveranstaltungen ungewöhnlich hohen - Andrang zu sehen war. Unter dem Titel "Der Terroranschlag und seine Folgen - Bedrohung des Weltfriedens" referierten und diskutierten am Mittwoch (19. September)
der Politikwissenschaftler PD Dr. Johannes M. Becker
vom Arbeitskreis Marburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für Friedens- und Abrüstungsforschung e.V.,
Helga Bundesmann-Lotz,
Dekanin des evangelischen Kirchenkreises Marburg-Stadt,
Rechtsanwalt Dr. Peter Becker
als Sprecher der Juristinnen und Juristen gegen atomare, biologische und chemische Waffen) und der Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Rüdiger Zimmermann vor einem bis auf den letzten Stehplatz gefüllten Hörsaal. Initiiert wurde die Veranstaltung vom Arbeitskreis Marburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für Friedens- und Abrüstungsforschung e.V..
Johannes Becker fragte in seinem Einleitungsvortrag nach den Ursachen von Terrorismus. "Wenn wir es ernst meinen mit der politischen Bekämpfung des Terrorismus, dann müssen wir die soziale Situation erkennen, aus der dieser Terrorismus kommt, und sie verändern", forderte Becker.
Dekanin Helga Bundesmann-Lotz argumentierte aus religiöser Perspektive mit dem Gegensatz der friedlichen Grundausrichtung des Christentums einerseits und der kriegerischen Gewaltbereitschaft des Islams andererseits. Muslime könnten Gewalttaten mit Verweis auf den Koran vor sich selbst rechtfertigen, denn der Koran betrachte alle nicht-Muslime als Ungläubige. "Ich verabscheue dieses Verbrechen, wie dürfen das geschehene Unrecht nicht durch weiteres Unrecht vergrößern", appellierte die Dekanin.
Peter Becker untersuchte die politischen Vorgänge aus juristischer Perspektive. Die Hauptaufgabe der deutschen Politik läge nun darin, die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Inkrafttreten des NATO Artikels 5 und 51 einzufordern. Nach Artikel 51 müsse ein bewaffneter Angriff gegen einen Staat vorliegen, es muss außerdem nachgewiesen werden, dass ein Staat unterstützend oder zumindest billigend hinter den Anschlägen steckt. Der NATO-Beschluss dürfe kein Vorratsbeschluss sein. "Sobald die Täter und Drahtzieher gefasst sind, muss eine neue politische Debatte eröffnet werden", forderte Becker.
Kurz, bündig und scharfsinnig analysierte Prof. Dr. Rüdiger Zimmermann die Terminologie im Zusammenhang mit dem Anschlag. Typische sprachliche Mechanismen seien schwarz-weiß-Malerei, die Errichtung von Feindbildern und die Benutzung von Metaphern, die neue Sachverhalte in alte und bekannte Schemata bringen. "Bewusst wird im Bezug auf den Anschlag von Krieg gesprochen, im Krieg kämpft man mit Soldaten gegen Soldaten, bei einem Verbrechen bringt man die Täter vor Gericht", warnte Zimmermann vor einer Anheizung der Gemüter durch übertriebene Wortwahl.
Eine lange Diskussion schloss sich an die Vorträge an. Hier kamen Aspekte zur Sprache, die in den Vorträgen fehlten, wie beispielsweise die innenpolitischen Konsequenzen des Anschlags.
Während die Vorträge der renommierten Marburger Friedensgrößen nicht viel Neues hervorbrachten und in den vergangen Tagen bereits Gesagtes, Gedachtes oder Geschriebenes aus ihrer Sicht kritisch zusammenfassten, vermittelte die Debatte im Auditorium neue Denkanstöße.
Was in dieser durch die Medien angeheizten Diksussion von besonnen-wissenschaftlicher Seite zu erhoffen war, blieb aus. Eine tiefgriefende politsche Analyse der Vorgänge fand nicht statt. Hier wäre es spannend gewesen, nach den politischen Hintergründen des Verhaltens der USA, Deutschland und anderen Staaten zu forschen. Was spricht wirtschafltlich, was politisch für einen kriegerischen Vergeltunggschlag? Dieser Themenkomplex wurde leider nur kurz beleuchtet. Auch die Frage nach den Ursachen blieb letztlich unbeantwortet.
Die Diskutierenden polarisierten zwischen der These, es handele sich um einen Arm-Reich-Konflikt sowie der Auffassung, hier kämpfe der Islam gegen die christliche Welt. Ein Ineinandergreifen dieser beiden Ursachen brachte nur Marianne Kolter (PDS) aus dem Auditorium in die Diskussion. "Der Terrrorismus kommt nicht aus den Slums, sodern von denen, die Angst haben, in die Slums abzurutschen." Sie verglich die hier vorliegenden Mechanismen mit dem Erstarken des Faschismus in Deutschland. Die Perspektivenlosigkeit der Menschen sei der Nährboden, die Ideologie das Instrument, das die Menschen als Ausweg sehen.
Auch eine religionssoziologische Analyse fand nicht statt, was vor allem mangelnden Kenntnisse über den Islam zuzuschreiben ist. Erschreckend, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass Moslems ein drittel der Weltbevölkerung ausmachen.
Selbstverständlich ist eine differenzierte Ursachen- und Konsequenzen-Analyse das eine, was nach einem solchen Ereignis getan werden muss. Dass dies nicht erfolgt ist, ist weder dem Podium noch dem Auditorium vorzuwerfen, denn dazu reichte dieser eine Abend wohl nicht aus. Zum anderen fragten viele, was denn jetzt konkret zu tun sei.
Am Donnerstag (20. September) trifft sich die
Marburger Friedensinitiative "Nein zum Krieg!"
um 19 Uhr im Gewerkschafts-Haus. Am Montag (24. September) findet um 18 Uhr 30 in der Volkshochschule (VHS) ein Marburger Friedensgespräch statt.
Ganz wichtig sei es, Leserbriefe an Zeitungen zu schreiben, so Johannes Becker. Desweiteren empfahl er, Briefe und e-mails an Bundestagsabgeordnete zu schicken.
Dieser Abend war ein erster Schritt in die richtige Richtung. Um den Themenkomplex und die Ereignisse, die diese Anschläge wohlmöglich nach sich ziehen, wirklich zu erfassen, bedarf es wohl noch einer Reihe solcher Diskussionsveranstaltungen.
19.09.2001 * FJH
Früher herrschte in dem türkischen Imbiss immer großer Andrang. Oft staute sich eine lange Menschenschlange bis hinaus auf die Bahnhofstraße. Seit einigen Tagen aber herrscht hier plötzlich gähnende Leere. Seit den Attentaten von Washington und New York behandeln viele Zeitgenossen Muslime wie Aussätzige.
Hysterie macht sich breit. Ist der nette Muslim von nebenan vielleicht ein "Sleeper" des Terroristen Osama Bin Laden?
Eine nicht gerade geringe Schuld an dieser aufgeheizten Stimmung tragen auch die Medien, die die furchtbaren Bilder des mörderischen Terrors immer wieder von Neuem in die Wohnzimmer und Gaststuben hineingestrahlt haben. Markige Worte machtbewusster Politiker machen "kurzen Prozess" mit den Terroristen. Die US-Regierung verspricht fünf Millionen US-Dollar für die Verantwortlichen, "dead or alive". Das erinnert fatal an Lynchjustiz.
Gleichzeitig werden demokratische Rechte ab- und Sicherheitsapparate ausgebaut. Ein flächendeckendes Netz spezieller Anti-Terror-Einheiten hat US-Justizminister John Ashcroft am Dienstag (18. September) angekündigt. Auch der Deutsche Bundestag diskutiert neben der Beteiligung der Bundeswehr an "Vergeltungsschlägen" auch Maßnahmen zur Erhöhung der Inneren Sicherheit. Selbst Gewerkschafter sprechen sich schon für eine intensive Durchleuchtung der Beschäftigten auf Flughäfen durch den Verfassungsschutz aus.
Derweil hören wir von Fahndungserfolgen der Ermittlungsbehörden: Vier weitere Flugzeuge hätten am 11. September noch gekapert werden sollen, doch das sei schiefgegangen. Den "Wurm" namens "Nimda" - das Wort "Admin" rückwärts - stufen Sciherheitsexperten als mögliches Teil der Terrorkampagne ein. Dieser Computervirus, der vor allem in Norwegen aufgetreten ist, versendet von selbst massenhaft e-Mails und legt so die Rechner im Internet lahm.
Das Internet sollen auch die Terroristen für ihre Logistik genutzt haben. Eine - inzwischen abgeschaltete - Mailing-Liste soll 500 Teilnehmer über anstehende Aktionen informiert haben.
Ein Großteil dieser Erkenntnisse verdanken die Ermittler "geständigen" Mitgliedern der Terrorgruppe. Aber führen die die Behörden nicht vielleicht absichtlich auf falsche Fährten?
Zentren der Terrororganisation in Deutschland sollen Hamburg und Frankfurt gewesen sein. Die mörderischen Verbrecher leben also mitten unter uns.
Dennoch dürfen wir jetzt nicht hysterisch reagieren. Palästinenserpräsident Arafat, der in dieser explosiven Situation den Friedensschluss mit Israel anstrebt, gab damit ein nachahmenswertes Beispiel der Besonnenheit. Wir alle sollten uns erinnern, dass die Inschrift des Holocaust-Denkmals "Wer ein Leben rettet, der rettet die ganze Welt" auf eine Sure des Koran zurückgeht.
17.09.2001 * FJH
Nach den
Attentaten auf das World Trade Center (WTC) und das Pentagon
hat US-Präsiden George W. Bush einen "Kreuzzug gegen den Terrorismus" verkkündet. Dessen Auswirkungen bekommen Muslime - auch in Deutschland - jetzt schon zu spüren. Die Folgen des angekündigten "Vergeltungsschlags" bereiten vielen Menschen Sorge. Unter dem Titel "Der Terroranschlag und seine Folgen
- Bedrohung des Weltfriedens?" diskutieren am Mittwoch (19. September) im Hörsaalgebäude die evangelische Dekanin
Helga Bundesmann-Lotz, der Politikwissenschaftler PD Dr.
Johannes M. Becker, der Rechtsanwalt Dr.
Peter Becker
als Vorsitzender der "Inteernational Association of Lawyers against nuclear Arms" (IALANA) und der Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Rüdiger Zimmermann. Der Marburger Friedensforscher Johannes Becker hat am Freitag (14. September) bereits "Erste Überlegungen" und am Montag (17. September) einen kurzen
Aufruf
formuliert.
Jens Bertrams, Pressesprecher des Marburger Vereins "" (BiGuB) hat schon am Dienstag (11. September) auf seiner privaten Internetseite "www.jens-bertrams.de" zahlreiche Stellungnahmen und Materialien
zu den Anschlägen und ihren Folgen
dokumentiert.
Die Furcht vor den Auswirkungen militärischer Gegenaktionen treibt - nicht nur in Marburg - viele Menschen um. Zu Zehntausenden fliehen die Bewohner aus Kabul und Kandaharr. Sie fürchten Luftangriffe der NATO auf ihre Städte und verstecken sich deswegen in den unwegsamen Bergen oder drängen ins benachbarte Pakistan. Den in Afghanistan regierenden Taleban laufen - im wahrsten Sinne der Worte - die Menschen davon.
Derweil verhandeln ihre Vertreter über eine Auslieferung Osama Bin Ladens, den die US-Regierung als Drahtzieher der Terroranschläge auf Washington und New York ausgemacht hat. Die Taleban stellen Bedingungen. Aber vielleicht ist das alles nur Hinhaltetaktik, denn andere Meldungen kolportieren das Gerücht, die Taleban hätten den "Gihad", den "Heiligen Krieg", gegen die USA und ihre Verbündeten ausgerufen. Einige tausend junge Kämpfer könnten dann die Streitmacht des Terrors verstärken.
Den "Heiligen Krieg" hat Bush mit seinem Gerede vom "Kreuzzug" eingeläutet. Die "Guten" mit den christlichen Werten im Kreuz treten an gegen "das Böse" zum Amagedon, den letzten Kampf vor dem Jüngsten Tag. Das finsterste Mittelalter lässt grüßen.
Die - nun anstehende - Apokalypse kann sich jeder leicht ausmalen, wenngleich sie schwer vorstellbare Ausmaße erreichen könnte: Flugzeuge gegen Atomkraftwerke, Biologische oder Chemische Waffen gegen Großstädte und deren Bevölkerung, Computer-Attacken auf die zahlreichen Systeme, die wir längst der Technik überantwortet haben. Mehr als 100 "Sleeper" soll Osama Bin Laden Geheimdienstschätzungen zufolge allein in Deutschland haben. Unter "Sleepern" verstehen die Dienste heimliche Mitstreiter, die jederzeit aus einer biederen bürgerlichen Existenz heraus aktiviert werden können.
"Das Böse ist immer und überall", sang vor einigen Jahren eine österreichische Ulk-Gruppe. Wir alle werden lernen müssen, mit der allgegenwärtigen Bedrohung zu leben, die wir in anderen Bereichen - beispielsweise den Gefahren des Autoverkehrs - durch beharrliches Ignorieren weitgehend verdrängen.
Keineswegs können wir die Gefahr weltweiten Terrors völlig beseitigen. Alle Einschränkungen der Freiheitsrechte von Bürgern würden den Terror vielmehr in unsere Gesellschaft hineinverlagern.
Die bundesdeutschen Bürgerrechtsorganisationen warnen
vor einem Abbau dieser Freiheitsrechte. "Wer die Freiheit einschränkt, um so mehr Sicherheit zu gewinnen, wird beide verlieren", sagte einst der amerikanische Politiker Benjamin Franklin. Nur das Festhalten an Freiheit und Demokratie und ein gründliches Nachdenken über die Wurzeln des Hasses gegen die USA und den Westen bieten die Chance auf eine friedliche Zukunft.
Stattdessen setzt der regierende Cowboy ein "Kopfgeld" von 5 Millionen US-Dollar auf die Ergreifung Osama Bin Ladens aus, "dead or alive". Man kann nur hoffen, dass diese Alternative für die Bevölkerungen aller Länder eindeutig positiv ausgehen wird. Man kann dem Wahnsinn nur Vernunft entgegensetzen, wenn man ihn besiegen möchte. Treten wir also ein für die Beendigung aller militärischen Konflikte dieser Welt und für Lösungen der wirtschaftlichen und sozialen Probleme! Es gibt viel zu tun; was wir jetzt nicht anpacken, das kann uns bald böse aufstoßen.
16.09.2001 * sap
"Ich wünsche ihnen für die Arbeit als Landrat Gottes Segen und hoffe, dass Sie für unseren Landkreis viel Gutes erreichen". Mit diesen Worten beglückwünschte
Detlef Ruffert
(SPD) den in seinem Amt bestätigten CDU-Landrat
Robert Fischbach. 61,3 % der Stimmen entfielen bei der Landratswahl am Sonntag (16.September) auf Fischbach, Detlef Ruffert (SPD) brachte es auf 38,7 Prozent. Nur 35,1 Prozent der Wahlberechtigten im
Landkreis Marburg-Biedenkopf
hatte es zur Wahlurne gezogen.
"Dass ich mich freue, brauche ich nicht zu betonen", erklärte Robert Fischbach am Wahlabend, "ich möchte mich bei allen bedanken, die mir ihr Vertrauen geschenkt und zu diesem tollen Ergebnis beitgetragen haben".
Aufgrund der Ereignisse in den USA wurde die als "Wahlparty" angekündigte Veranstaltung am Wahlsonntag zu einem "Wahlabend" umbenannt. Im Landratsamt waren Pressevertreter, Parteifreunde von SPD und CDU sowie Wählerinnen und Wähler aus dem Landkreis zu einem Empfang der
Oberhessischen Presse
(OP) und der
Marburger Neuen Zeitung
(MNZ) zusammengekommen. Mit Spannung verfolgten die Besucher hier die Ergebnisse aus den Wahlbezirken. Bereits die ersten Zahlen aus Cyriaxweimar deuteten gegen 18.30 Uhr auf den Wahlausgang hin: Satte 75 Prozent der Stimmen konnte Fischbach dort für sich gewinnen. Auch in Steffenberg - der Heimatgemeinde des 57-jährigen Ruffert - unterlag der SPD-Kandidat mit 48,2 Prozent. Dies bedeute jedoch eine Verbesserung der Wahlergebnisse von vor 5 Jahren, so Ruffert. Robert Fischbach siegte ebenfalls in seiner Heimatgemeinde Holzhausen mit 59,6 Prozent.
Die Stimmenauszählung in Marburg ließ aufgrund der Menge der Wahlberechtigten auf sich warten. Mit Jubel begrüßten Fischbach und seine Parteifreunde schließlich das Ergebnis aus der Universitätsstadt, hier bestätigten 52,1 Prozent den amtierenden Landrat. In Marburg war die Wahlbeteiligung mit 31,1 Prozent sehr niedrig.
Detlef Ruffert äußerte sich nach der Wahl, er wolle das Ergebnis nicht schönreden, verkündete aber dennoch mit etwas verhaltenem Stolz: "Vor 4 Monaten kannte mich noch niemand als Landratskandidaten im Landkreis Marburg-Biedenkopf, seitdem habe ich es von 0 auf 38 Prozent geschafft!"
13.09.2001 * (FJH)
Am Wochenende flatterte ein aufwendiges, aber einfallsloses Werbefaltblatt zur Landratswahl in die Marburger Haushalte. Ansonsten wirkt der Wahlkampf des SPD-Kandidaten
Detlef Ruffert
eher phlegmatisch. Ohnehin bietet die SPD mit dem 57-jährigen Niedereisenhäuser nicht gerade ihre erste Garnitur auf. An der Wiederwahl des - seit dem 1. Februar 1996 amtierenden - Landrats
Robert Fischbach
(CDU) zweifelt kaum jemand. Die gerade erst zurechtgezimmerte Koalition seiner Partei mit Grünen, FDP und Freien Bürgern stärkt den populären Politiker zusätzlich.
Im Gegensatz zu seinem Herausforderer nimmt Fischbach den Wahlkampf sehr ernst. Es vergeht kaum ein Tag, an dem der Holzhäuser Landwirt nicht vor die örtliche Presse tritt. Fischbach eröffnet Kunstausstellungen, empfängt Behinderte, besucht Discotheken oder besichtigt Naturschutzmaßnahmen. Nicht nur in Bierzelten fühlt sich das 56-jährige Oberhaupt des Kreises
Marburg-Biedenkopf
wohl; mit einer eigenen Wahlkampfseite "www.robert-fischbach.de" tummelt sich der Christdemokrat neuerdings auch im Internet.
Was Fischbach recht ist , das ist Detlef Ruffert billig: Seine Internet-Präsenz heißt "www.detlef-ruffert.de". Darauf stellt sich der - den Bewohnerinnen und Bewohnern des Landkreises weitgehend unbekannte - Verwaltungsangestellte und Sozialpädagoge, der derzeit als Geschäftsführer des Landesfilmdienstes Hessen tätig ist, den Wahlberechtigten vor.
Beide Politiker haben bei ihren Werbeaktivitäten aber leider eines übersehen: Im Landkreis leben zahlreiche blinde und sehbehinderte Wählerinnen uns Wähler. Die erreichen sie weder mit Hochglanz-Faltblätttern noch mit ihren Internetseiten. Denn die Webauftritte beider Politiker sind dummerweise nicht barrierefrei. Ruffert unterlegt seine Links mit schönen Gags, bei denen man die gewählte Information auf einem Wahlzettel ankreuzt. Für Blinde erscheint heir aber nichts außer einem Hinweis auf die tragischen Ereignisse in den USA. Fischbachs Seite bleibt für Blinde gar vollständig leer.
Mein Votum lautet deshalb: Nachsitzen und sich erst mal gründlich schlau machen, bevor man ins Netz geht!
12.09.2001 * (FJH)
Im Landratsamt liegt jetzt ein Kondolenzbuch für die Opfer der
Terroranschläge von Washington und New York
aus. Arbeitgeber und Gewerkschaften haben die Bürgerinnen und Bürger für den morgigen Donnerstag zu
fünf Gedenkminuten
aufgerufen. Pausenlos strahlen sämtliche Fernsehprogramme Aufnahmen vom Aufprall der Boeing auf den Turm des World Trade Centers aus. Ohne Unterlass servieren sie dem Publikum die unfassbaren Vorgänge in allen Einzelheiten und in Zeitlupe. Derweil bringt US-Präsident George W. Bush seine Verbündeten über Artikel 5 des NATO-Statuts auf seinen Kurs. Danach ist ein Angriff auf einen Verbündeten zugleich als Kriegserklärung gegen die gesamte Allianz zu werten.
Dieser Krieg hat schon begonnen. Die ständige Wiederholung der Bilder von den Terroranschlägen und die begleitenden Kommentierungen stimmen schon auf weitere Kriegshandlungen ein . Diese voyeuristische Zurschaustellung des Leids ist eine respektlose Vermarktung der Opfer. Vor allem aber ist sie eine Art Gehirnwäsche, die Aggressionen der NATO rechtfertigen soll, gegen wen auch immer sie sich richten. "Der Anschlag auf die westliche Zivilisation soll nicht ungesühnt bleiben", ist immer wieder zu hören. "Das Gute gewinnt gegen das Böse."
So folgt dem mörderischen Terror wahrscheinlich schon bald die nächste Mordtat. Angriffe werden im NATO-Hauptquartier vermutlich schon vorbereitet.
Der menschenverachtende Schlag des Terrors traf die USA tief und an ihren empfindlichsten Stellen. Er richtete sich gegen die Symbole der wirtschaftlichen, militärischen und politischen Macht Amerikas. Nun braucht die Großmacht wohl einen "Entlastungsschlag", um ihr angekratztes Selbstbewusstsein wiederzugewinnen. Krieg!
Dabei böte der Terror die einmalige Chance, über die offen zutage getretenen Probleme unserer vielzitierten Zivilisation nachzudenken: Jedes Flugzeug ist eine mögliche Massenvernichtungswaffe. Gibt es nicht viel zuviel Luftverkehr?
Woher kommt die Aggression, die in den menschenverachtenden Attentaten ihren mörderischen Ausdruck fand? Sollte die Politik nicht schleunigst nach Lösungen für die Konflikte dieser Welt suchen? Wäre nicht gerade jetzt eine günstige Gelegenheit für eine neue Friedensrunde in Palästina?
Und was schließlich ist mit den Kriegen in Afrika, die in Europa kaum jemanden interessieren? Brauchen wir nicht eine neue Weltwirtschaftsordnung, damit die Staaten des Westens nicht in Angst und Unordnung leben müssen?
Für die Toten der afrikanischen Kriege, für die Opfer des Terrors in Palästina und Israel, für die Verkehrstoten des Landkreises und der benachbarten Kreise liegt im Landratsamt kein Kondolenzbuch aus. Warum eigentlich nicht dafür?
11.09.2001 * (FJH)
An der Ketzerbach steht ein Betrunkener. "Das World Trade Center liegt in Schutt und Asche. Das Pentagon brennt. Nieder mit dem Antiimperialismus!"
Wie andere Passanten auch, nehme ich diesen "Spinner" nicht ernst. Ich gehe ruhig weiter und lächele über ihn.
An der Kreuzung vor der Elisabethkirche begegnet mir Henning. "Amerika brennt, und Du lächelst!", begrüßt er mich, "Du weißt wohl noch nicht, was geschehen ist." Dann berichtet er mir von den Anschlägen auf das World Trade Center in New York, das Pentagon und das Foreign Office in Washington sowie den Flugzeugabsturz bei Pittsburgh.
Daheim im Radio erfahre ich Näheres. Wieder und wieder werde ich das Geschehen geschildert bekommen und hören, wie die Politiker darauf reagieren. Ein ängstlicher George W. Bush mimt auf einem Luftwaffenstützpunkt in Nebraska den tapferen Cowboy. Ein erschütterter Gerhard Schröder verspricht ihm nach der Sitzung des Bundessicherheitsrats am Abend "uneingeschränkte Solidarität". Ich mache mir Sorgen.
Dieser mörderische Angriff zeugt von kaltblütiger Brutalität. Wer so etwas tut, muss wahnsinnig sein. Zwei Flugzeuge wurden am Dienstag (11. September) in die Türme des World Trade Center (WTC) hineingeflogen, mit mehr als 150 Menschen an Bord! Weitere Flugzeug-Anschläge fanden gleichzeitig auf das Pentagon in Washington und das Foreign Office statt. Zigtausende von Menschen sind dabei zu Tode gekommen. Ein menschenverachtender Plan wurde minutiös ausgeführt, hinter dem eine irrsinnige Strategie zutage tritt.
Es scheint aber nicht das Werk eines Einzelnen zu sein, sondern die sorgfältig geplante Aktion einer präzise arbeitenden, perfekt koordinierten Gruppe. Das ist eine Kriegserklärung an die US-Regierung unter George Bush und ihre Verbündeten.
Ein Weltkrieg könnte denn auch eine mögliche Folge dieser heimtückischen Attentate sein. Es steht zu befürchten, dass die Spirale der Gewalt, die in Palästina niemand so recht aufhalten mochte, nun weiter eskaliert. Und es steht zu befürchten, dass scharfe Sicherheitsmaßnahmen nun allenthalben Platz greifen werden.
Die moderne Zivilisation ist verletzbar. Eine absolute Sicherheit gibt es nicht. Die Freiheitsrechte dürfen aber nicht dem Wahnsinn einiger Topp-Terroristen geopfert werden. Wenn Bürgerrechte eingeschränkt, um so die "Sicherheit" zu gewährleisten, dann haben die Terroristen eines ihrer Ziele erreicht.
So bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen in Nachrichtendiensten, Militär und Politik kühlen Kopf bewahren.
07.09.2001 * (FJH)
"Nach der Rechtslage ist es sicherer und vernünftiger, nicht zu widersprechen." Dieses Fazit zog Oberbürgermeister
Dietrich Möller
(CDU) am Freitag (7. September) nach ausgiebiger juristischer Prüfung des Antrags auf Abwahl der Grünen-Stadträtin
Ulrike Kober. Damit steht der von Grünen und SPD beantragten Ablösung der Sozial- und Umweltdezernentin bei der Stadtverordnetensitzung am 28. September wohl nichts mehr im Wege.
Möller äußerte seine Enttäuschung über den Umgang ihrer eigenen "Parteifreunde" mit der Politikerin. Menschlich und politisch missbillige er den Abwahlantrag. Rechtlich sieht er jedoch kaum Möglichkeiten, dieses Verfahren zu Fall zu bringen.
Mit der juristischen Prüfung des Sachverhalts hatte Möller neben dem Rechtsamt der
Stadt Marburg
auch das Regierungspräsidium Gießen als direkte Dienstaufsichtsbehörde und das Hessische Innenministerium als oberste Aufsichtsstelle betraut. Wissen wollte das Marburger Stadtoberhaupt von den Juristen, ob die Regelung in der Hessischen Gemeindeordnung im Fall Kober angewandt werden darf, wonach eine erleichterte Ablösung kommunaler Wahlbeamter innerhalb von sechs Monaten nach Kommunalwahlen möglich ist. Rechtsanwalt Friedhelm Faechs, Fraktionsvorsitzender der Bürger für Marburg (BFM) im Stadtparlament, hatte in der Stadtverordnetensitzung am 24. August ein Urteil zitiert, wonach diese Regelung ausschließlich zur Widerspiegelung veränderter Mehrheiten in Magistrat und Kreisausschuss diene. Dieser Auffassung schlossen sich die meisten der befragten Juristen indes nicht an.
"Ein Sachverhalt, zwei Juristen, drei Meinungen", polemisierte Möller ärgerlich. Eine wirklich eindeutige Antwort habe er nicht erhalten. So müsse er eine Güterabwägung zwischen dem "Wohl der Stadt" und einem möglicherweise langwierigen Rechtsstreit mit unsicherem Ausgang vornehmen.
Zum - wie auch immer definierten - "Wohl der Stadt" sei die fortdauernde Unsicherheit nicht. Die notwendigen Zahlungen an Ulrike Kober - drei Monate lang erhält sie ihr volles Gehalt, danach stehen ihr 75% dieser Summe zu - bezeichnete Möller als "Kosten der Demokratie".
Kritik an Kobers Amtsführung wollte sich der Oberbpürgermeister nicht anschließen. Vielmehr kritisierte er seinerseits den SPD-Fraktionsvorsitzenden
Norbert Schüren, der bei der Parlamentssitzung am 24. August aus Briefen zitiert hatte, die Kober Unfähigkeit vorwerfen. Nachfragen des Oberbürgermeisters beim städtischen Personalamt wie auch beim Personalrat ergaben, dass diese Briefe nicht aus der Verwaltung stammten, dort jedenfalls nicht bekannt waren.
Dem Vorwurf, mit ihrem Verhalten habe die Sozialdezernentin Beamte zu Versetzungsanträgen gedrängt, widersprach der Oberbürgermeister ausdrücklich. Es habe nur eine einzige Versetzung vom Sozialamt auf einen anderen Dienstposten gegeben; ansonsten seien nur einige Mitarbeiter auf Anraten des Personalamts zur Sicherung höherer Rentenanwartschaften vorzeitig in den Ruhestand gegangen.
Den Vorwurf der Grünen-Stadtverordnetenfraktion, Ulrike Kober habe Personalangelegenheiten vor ihren Parteifreunden geheimgehalten, brandmarkte Möller gar als "Aufforderung zum Rechtsbruch". Personalangelegenheiten seien schließlich vertraulich und hätten - so seine Auffassung - nichts in Parteigremien zu suchen. "Die Stadt gehört den Bürgern und nicht den Parteien oder den auf Zeit Gewählten", stellte Möller fest. So hielt er auch die kürzlich veröffentlichte Ausschreibung der Stelle eines 1. Stadtrats, die nicht über seinen Schreibtisch gelaufen sei, für verfrüht: "Es ist doch noch gar nicht sicher, ob der Abwahlantrag am 28. September wirklich die notwendige Mehrheit bekommt!"
01.09.2001 * (FJH)
Auf dem Wochenmarkt an der Frankfurter Straße herrschte zweifellos mehr Gedränge als bei der benachbarten Demonstration zum Antikriegstag. Nur gut 50 Bürgerinnen und Bürger waren am Samstag (1. September) dem Aufruf der
Marburger Friedensinitiative "Nein zum Krieg!"
gefolgt, um ihren Protest gegen den Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien auszudrücken.
DGB-Kreisvorsitzender Rüdiger Stolzenberg kritisierte die Militärpolitik der Bundesregierung. Mit 6 Milliarden DM läge die Summe aller deutschen Rüstungsexporte heute höher als zu Zeiten der Kohl-Regierung. Größtes Empfängerland sei die Türkei, trotz ihres fragwürdigen Umgangs mit Menschenrechten.
In dieses Bild passe auch die Aufrüstung der Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee zu einer Interventionsarmee. Stolzenberg rief die Anwesenden auf, sich einem Appel der "Bundeskoordination Friedensratschlag Kassel" anzuschließen, der die Auflösung dieser "Krisen-Internventionskräfte" der Bundeswehr fordert.
Roland Grimm von der Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG/VK) erläuterte seine Kritik am Mazedonien-Einsatz, den er für verfassungswidrig hält. Nach dem Grundgesetz sei die Bundesdeswehr - aufgrund der Erfahrungen aus der Hitler-Zeit mit gutem Grunde - allein zur Verteidigung der Landesgrenzen bestimmt. Gegen diese Regelung verstoße auch der erneute Einsatz in Mazedonien.
"Niemand glaubt heute noch, dass die Bundeswehr nach 30 Tagen wieder abziehen wird", meinte Grimm. Er fragte, warum die Bundeswehr und die befreundeten NATO-Truppen den Kämpfern der UCK Waffen abnehmen sollten, die sie ihnen in den letzten Monaten selbst gegeben und an deren Wegnahme sie im Kosovo bislang kein Interesse gezeigt hätten. Notwendig geworden sei der Einsatz vielmehr, um den Nato-truppen im Kosovo die Nachschubwege zu sichern.
Den wichtigsten Grund für die Militäraktion sieht Grimm in der geostrategischen Bedeutung des Balkans, wo die NATO ihre Positionen gegenüber Russland festigen könne.
Helmar Lorenz von der Gewaltfreien Aktion "Atomwaffen abschaffen!" lud die Anwesenden schließlich zur Teilnahme an einer "Zivilen Inspektion" des Atomwaffenlagers Büchel in der Eifel am 30. September ein. Auf diesem Fliegerhorst lagerten immer noch amerikanische Atomsprengköpfe, die deutsche Piloten "übungsweise" umherflögen.
Zwischen den Reden sorgte die Trommelschule "Percussion" für Stimmung, während nebenan der samstägliche Alltag stattfand. Das Interesse am Markt war scheinbar wesentlich größer als das Engagement für den Frieden. Eine Ausstellung mit Plakaten aus "20 Jahren Friedensbewegung in Marburg", die am Freitag (31. August) in der Brüger-Grimm-Stube eröffnet wurde, erlaubt auch weiterhin die Auseinandersetzung mit dem Thema. Aber die scheinen viele zu scheuen.
25.08.2001 *
Abgewählt: Rechtliche Prüfung der Kober-Entscheidung
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