25.08.2001 * (FJH)
Zugestimmt haben Grüne und SPD bei der Stadtverordnetensitzung am Freitag (24. August) dem Abwahlantrag gegen
Ulrike Kober. Damit kann das Parlament auf seiner nächsten Sitzung am 28. September den Weg für ihren Nachfolger, den Grünen Stadtverordneten
Franz Kahle, freimachen.
Gegen die Abwahl der Grünen Stadträtin sprachen sich CDU und Bürger für Marburg (BfM) aus. BfM-Fraktionsvorsitzender
Friedhelm Faecks
wies auf ein Urteil des
Bundesverfassungsgerichts
hin, wonach die erleichterte
Abwahl kommunaler Wahlbeamter
nur zur Berücksichtigung veränderter Mehrheitsverhältnisse im Parlament bei der Besetzung des hauptamtlichen Magistrats genutzt werden dürfe. Die Mehrheiten hätten sich im Marburger Kommunalparlament aber nicht geändert.
Oberbürgermeister
Dietrich Möller
(CDU) möchte nun die Rechtslage noch einmal prüfen. Nach einer ersten Prüfung sah das Stadtoberhaupt allerdings keine großen Chancen, die Abwahl rechtlich zu Fall zu bringen.
CDU und BfM werfen den Grünen eine Täuschung der Wählerschaft vor, weil sie Ulrike Kober bei der
Kommunalwahl am 18. März
noch als "Zugpferd" auf Platz 1 der Wahlliste ins Rennen geschickt haben. Die Grünen wiederum werfen ihrer eigenen Sozial- und Umweltdezernentin Unfähigkeit und mangelnde Durchsetzungskraft vor. Hinter den Kulissen werden andere Gründe für die Abwahl diskutiert: Die Kooperation zwischen der Fraktion und ihrer Stadträtin sei schlecht gewesen; auch das Verhältnis der Politikerin zu SPD-Chef
Norbert Schüren
sei getrübt. Andererseits wurde auch anonyme Kritik am Grünen Fraktionsvorsitzenden
Dietmar Göttling
und dessen Führungsstil geäußert. Eine unangenehme Schlammschlacht um die Abwahl deutet Machtkämpfe innerhalb der Grünen, Ausnutzung der parteiinternen Zwistigkeiten durch CDU und BfM sowie einen Durchsetzungsanspruch politischer Positionen Seitens der SPD an. Bei alledem kommt eines zu kurz: Die Transparenz der Kommunalpolitik für Bürgerinnen und Bürger.
23.08.2001 * (FJH)
Die für den 25. September geplante Verleihung des Savigny-Preises an Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl wird wahrscheinlich nicht stattfinden. Prof. Steffen Detterbeck, Dekan des Fachbereichs Rechtswissenschaften, hatte
am 15. August bekanntgegeben, dass seine Fakultät Kohl den neu gestifteten Preis für seine "Verdienste um die Deutsche Einheit und die europäische Einigung" verleihen wolle. Universitätspräsident
Horst Franz Kern
hat den Dekan am Mittwoch (22. August) aufgefordert, für die Preisverleihung eine Entscheidung des Fachbereichsrats Jura einzuholen. Die lag nämlich bislang nicht vor.
Es wäre auch wenig wahrscheinlich gewesen, dass der Fachbereichsrat zugestimmt hätte. Im obersten Entscheidungsgremium der Rechtswissenschaften sitzen neben fünf Professoren auch drei Studierende, zwei wissenschaftliche und ein nichtwissenschaftlicher Mitarbeiter. Selbst unter der Professorenschaft ist die Kohl-Ehrung wegen seines dubiosen Verhaltens in der Parteispenden-Affäre umstritten. Der
Allgemeine Studierenden -Ausschuss
(AStA) und die SPD hatten daran heftige Kritik geübt, da Kohl mit seiner Aussageverweigerung das Recht gebeugt habe.
So zog Helmut Kohl am Donnerstag die einzig mögliche Konsequenz und verzichtete auf die Preisverleihung. Dekan Detterbeck erklärte dazu: "Die Absage von Dr. Helmut Kohl bedaure ich außerordenlich."
Kohl begründete seinen Verzicht mit "einer unguten und für mich unerträglichen Situation", die durch die Presseberichterstattung in Marburg entstanden sei. Erstaunlich, dass der Alt-Kanzler hier mehr Fingerspitzengefühl beweist als vor dem Parteispenden-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages, wo ihn "ungute" Situationen offenbar nicht an seiner Aussageverweigerung hinderten.
Ein merkwürdiges Rechsverständnis offenbart auch das Zustandekommen der geplanten Kohl-Preisung: Der Fachbereich, der den Preis verleihen soll, wurde dazu schlichtweg nicht gefragt. Damit versteigt sich Dekan Detterbeck zu denselben Herrscher-Allüren, die Kohl am Ende seiner 16-jährigen Regentschaft auch auszeichneten.
Ihn für - unbestreitbare - Verdienste auszuzeichnen erfordert ein Übergehen seiner Haltung zu Leuna und Spenden. Wer sein Ehrenwort höher einstuft als Verfassungsrecht, den kann ein rechtschaffener Jurist wohl kaum ehren. Doch Detterbeck wollte diese dunkle Seite des "Dicken" wohl eher unter den Teppich großer Worte kehren.
Dieser Versuch geht aber nun nach hinten los: Eine Preisverleihung auf "ordentlichem" Wege durch die demokratischen Entscheidungsinstanzen ohne
finanzielle Nachhilfe
scheint Kohl wohl kaum bekommen zu können. Die Umgehung dieser vorgeschriebenen Abstimmung hingegen macht die geplante Preisverleihung zu einem erneuten Beleg undemokratischer Haltung Kohls und seiner Anhänger. Ein auf diese Weise verliehener Preis wäre ohnehin nichts wert. Da bewahrheitet sich doch wieder das alte Sprichwort: "Ehre, wem Ehre gebührt!"
20.08.2001 * (FJH)
In diesen Tagen flattert allen Wahlberechtigten im
Landkreis Marburg-Biedenkopf
eine Pappkarte ins Haus. Auf dieser Wahlbenachrichtigung erfärt der Bürger, wo er seine Stimme bei der Landratswahl am 16. September abgeben kann. Die beiden Kandidaten, den amtierenden Landrat
Robert Fischbach
(CDU) und seinen Herausforderer
Detlef Ruffert
(SPD), wird marburgnews in den nächsten Tagen noch vorstellen. Die Weichen für eine Wiederwahl Fischbachs wurden in den letzten Tagen freilich schon gestellt, indem er eine Koalition aus CDU/FDP/Grünen und Freien Bürgern hinter sich vereint hat.
Am Freitagabend (17. August) hat der Kreistag die Besetzung einer dritten hauptamtlichen Beigeordnetenstelle beschlossen. Einen Abend vorher hatten Die Grünen auf ihrer Kreismitgliederversammlung den Fraktionsvorsitzenden der Öko-Partei im Kreitstag als Bewerber um dieses Amt benannt. Nach der Koalitionsvereinbarung steht ihnen dieser Posten zu.
Dr.
Carsten McGovern
wurde 1964 in Bad Dürkheim geboren. Sein Politologiestudium, das er in Mannheim begonnen hatte, setzte er 1989 an der
Philipps-Universität Marburg
fort. Die anschließende Promotion war 1996 der Einstieg in eine Wissenschaftlerkarriere, die der Freiberufler derzeit hauptsächlich der Organisation sozialer Dienste für Behinderte widmet.
Folgerichtig möchte er dann auch Sozialdezernent des Kreises werden. Hinzu gesellen sollen sich auch das Verkehrsressort und der Umweltschutz. Als 2. Kreis-Beigeordneter möchte McGovern seine theoretischen Kenntnisse, die er im wesentlichen durch Studien für das Land Nordrhein-Westfalen erworben hat, mit seiner kommunalpolitischen Erfahrung vereinen. Seit 1993 gehört McGovern dem Kreistag und der Regionalversammlung Mittelhessen an. Seit vorigem Jahr ist er Vorsitzender der Grünen Kreistagsfraktion.
Für den 28. September wurde - eigens zur Besetzung der zusätzlichen Beigeordnetenstelle - eine außerordentliche Kreistagssitzung anberaumt. Mit der breiten Parteienkoalition in seinem Rücken dürfte die Wiederwahl Fichbachs zum Landrat schon jetzt nahezu sicher sein, wenngleich in Hessen die Kreis- und Stadtoberhäupter von den Bürgern direkt gewählt werden. Briefwähler können sogar an einer - bundesweit erstmaligen - Testwahl via Internet zusätzlich zur regulären Stimmabgabe teilnehmen.
Dennoch kommt kaum Spannung auf. Denn welcher Polit-Laie kennt schon Detlef Ruffert?
17.08.2001 * (FJH)
Eine Hand wäscht die andere. Dieses - früher von vielen für orientalisch gehaltene - Bakschisch-System scheint Helmut Kohl in 16 Regierungsjahren verinnerlicht zu haben. Die Namen seiner "Spender" wollte er indes nicht nennen. Viele Freunde hat der Alt-Kanzler nun nicht mehr, aber einer bleibt ihm treu: Der Marburger Finanzmagnat
Reinfried Pohl
hat die für den 25. September geplante
Auszeichnung Kohls mit dem neuen Savigny-Preis
organisiert.
Am Dienstag (14. August) gab Prof. Steffen Detterbeck, Dekan des Fachbereichs Rechtswissenschaften der
Philipps-Universität,
die Verleihung der Auszeichnung an Kohl bekannt. Am Freitag erläuterte er, dass das Preisgeld von 10.000 Euro nicht von der Pohl-Stiftung oder einer seiner Firmen stamme, sondern von einem anderen Unternehmen. Deren Namen nannte er indes nicht. Unbestritten ist jedoch, dass dem Vorstand der Forschungsstelle für Finanzdienstleistungsrecht, der Kohl ausgewählt hat, auch Pohl angehört.
Pohl ist seit vielen Jahren mit Kohl befreundet. Noch nach dem Aufkommen der Parteispendenaffäre berief der Marburger Unternehmer den Alt-Kanzler in den Beirat seiner "Deutschen Vermögensberatung".
Ist das und die neuerliche Ehrung des umstrittenen Politikers wegen seiner Verdienste um die deutsche und europäische Einheit die Retourkutsche für frühere Freundschaftsdienste seines dicken Spezis? Kauft Pohl für Kohl mit dem Preisgeld, das der großzügig für die Fachbereichsbibliothek spendet, eine ganze Fakultät ein, um die ramponierte Ehre des Freundes aufzupolieren?
Die Marburger Wissenschaftler wären gut beraten, würden sie dieser Art von Vermögensberatung zu widerstehen vermögen.
15.08.2001 * (FJH)
Wegen seiner "Verdienste um die Deutsche Einheit" möchte der Fachbereich Rechtswissenschaften der
Philipps-Universität
dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl am 25. September den neuen Friedrich-Carl-von-Savigny-Preis verleihen. Die Lobrede auf den Alt-Kanzler soll Alt-Bundespräsident Roman Herzog halten.
Friedrich Carl von Savigny, der dem neuen Preis seinen Namen leiht, kann zu dieser Entscheidung nicht mehr befragt werden: Marburgs bedeutendster Rechtsgelehrter, der den Forsthof an der Ritterstraße bewohnte, war zeit seines Lebens (1779 - 1861) um Gerechtigkeit im Rechtssystem bemüht.
Erfährt Helmut Kohl nach dem Tod seiner Frau Hannelore mit dem Savigny-Preis nun endlich die verdiente Gerechtigkeit oder ist nicht gerade diese Ehrung in höchstem Maße ungerecht? Wollen die Ehrenden damit vielleicht gar das Recht beugen?
Ausgerechnet Juristen wollen einen Mann ehren, der sein eigenes Ehrenwort höher bewertet als Recht und Gesetz. Nicht nur Kohls Rolle im Parteispendenskandal und seine Schwarzgeldkonten zur "Pflege" innerparteilicher Hausmacht müßten jedem Juristen bei der Erwähnung seines Namens die Haare zu Berge stehen lassen; auch seine "Verdienste" beim Verkauf des Leuna-Tankstellennetzes sind immer noch ungeklärt. Warum also kamen die Marburger Rechtsprofessoren ausgerechnet auf diesen Preisträger?
Ein Eindruck drängt sich auf: Die konservative Professorenschaft möchte Kohl mit dem Preis "juristisch" rehabilitieren. Roman Herzog soll die unbestreitbaren Verdienste des dicken Oggersheimers hervorheben, während seine merkwürdigen Machenschaften unter den Teppich liebedienerischer Lobhudelei verschwinden. Eine Hand wäscht die andere: Zum Dank für die erwiesene Ehre bekommen die Rechtsgelehrten 20.000 DM für ihre Bibliothek. Über jeden Verdacht der Vorteilsnahme erhaben, hat der Alt-Kanzler versprochen, das Preisgeld der Fachbereichsbibliothek zu spenden. Eine wahrhaft verdienstvolle Entscheidung!
Doch wie steht es um Kohls Verdienste bei der Einheit? Waren es nicht in erster Linie Bürgerinnen und Bürger der einstigen DDR, deren Mut die Einheit überhaupt erst möglich machte? Müßten nicht eigentlich sie bei der Auszeichnung von Verdiensten um die Deutsche Einheit zuallererst genannt und geehrt werden?
Wieder einmal schaut man nur auf den Großen und vergißt dabei die Kleinen! Spätestens, wenn man die Einladungsliste des Fachbereichs Rechtswissenschaften zur Preisverleihung in der Alten Aula liest, wird klar: Marburgs Juristen wollen sich mit konservativer Prominenz von Roland Koch bis Franz Beckenbauer schmücken.
Mit alledem erweisen Marburgs Juristen nicht nur dem Vertrauen der Bevölkerung ins Recht, sondern auch ihrem eigenen Fachbereich einen Bärendienst. Ihre Rechtsauslegung darf fortan getrost als Rechtsausleger der deutschen Jurisprudenz betrachtet werden.
In jedem Fall werden die professoralen Preisverleiher mit dieser wahrlich ausgezeichneten Idee die Debatte um Kohls Kanzlerschaft erneut befruchten. Bestimmt zetteln sie damit auch "dicke Luft" auf Marburgs Straßen an. Recht so!
14.08.2001 * (FJH)
Anke Richter kann ihr
Praktikum beim Kulturamt
der
Stadt Marburg
fortführen. Dies gab Oberbürgermeister
Dietrich Möller
am Dienstag (14. August) bekannt. In einem gemeinsamen Gespräch hatten Möller, Richter, Werner Fischer als Leiter der Freiwiligen Feuerwehr Marburg, sein Stellvertreter Andreas Brauer und Kulturamtsleiter
Richard Laufner
Richters Rolle bei der Demonstration gegen den Marktfrühsschoppen besprochen. Feuerwehrleute fühlten sich durch eine Rede auf dieser Demonstration diffamiert. Sie hatte Sexismus und Rassismus im Zusammenhang mit Feuerwehren und Sportvereinen thematisiert.
Das klärende Gespräch über diese Auseinandersetzung hatte Kulturamtsleiter Richard Laufner angeregt. Anke Richter hielt dabei an ihrer Auffassung fest, dass auch aus der Mitte der Gesellschaft Rassismus und Sexismus entstehen könnten. Sie verwahrte sich aber ausdrücklich dagegen, dass die Feuerwehren und die Sportvereine in den Bereich "Sexismus", "Antisemitismus","Nationalismus" und "Rassismus" geschoben werden. Zwischen den "Kontrahenten" wurde eine weitere Ausspache bei der Marburger Feuerwehr vereinbart. Möller sagte nach dieser Klärung, dass "das Praktikum von Frau Richter im Kulturamt, wie ursprünglich vorgehsehen, weitergeführt und beendet wird."
08.08.2001 * (FJH)
Erwartungsgemäß haben die Grünen auf der Jahreshauptversammlung ihres Marburger Stadtverbands am Dienstag (7. August) Dr.
Franz Kahle
zum Kandidaten für das Amt des 1. Stadtrats nominiert. Der Amtsrichter will die Nachfolge der Grünen Stadträtin
Ulrike Kober
antreten, die von der Stadtverordnetenversammlung am 24. August und 28. September aus ihrem Amt abgewählt werden soll. Die Grüne Fraktion warf ihr "Unfähigkeit" und "mangelnde Durchsetzungskraft" vor.
Der Fraktion schloss sich am Abend in der Grünen-Kreisgeschäftsstelle eine deutliche Mehrheit der anwesenden Mitglieder an: 16 Stimmberechtigte unterstützten Kahle, 4 votierten gegen ihn, weitere 4 enthielten sich der Stimme.
Auch für eine Beigeordnetenstelle im
Landkreis Marburg-Biedenkopf
wollen die Grünen einen eigenen Kandidaten präsentieren. Bei der Kreismitgliederversammlung am 16. August wird sich der Kreistagsabgeordnete Dr. Carsten McGovern um eine Nominierung durch seine Partei bewerben. Bereits einen Tag später soll der Kreistag die Weichen für die Einrichtung einer dritten Hauptamtlichen Stelle im Kreis-Ausschuss stellen. Im Kreis haben CDU, Grüne, FDP und Freie Bürger eine Koalition vereinbart.
Bei der Landratswahl am 16. September können Interessierte Bürger der
Stadt Marburg
an einem Modellversuch teilnehmen, der Wahlen im Internet unter realistischen Bedingungen testen soll. Am Dienstag stellten Oberbürgermeister
Dietrich Möller, Landeswahlleiter Wolfgang Hannappel und der Marburger Informatikprofessor Manfred Sommer als Koordinator der Arbeitsgruppe Elektronische Stimmabgabe im Internet (ESI) ihr neues Projekt im Rathaus vor. Beteiligt sind neben dem Fachbereich Informatik und den Politikwissenschaften an der
Philipps-Universität
der Landkreis und die Stadt Marburg, der Hessische Landeswahlleiter, der Hessische Datenschutzbeauftragte und die Firma Berninger.
Teilnehmen an der Testwahl können interessierte Briefwähler, die dann zwei persönliche Identifizierungsnummern erhalten. Getestet werden soll vor allem die Sicherheit des WAhlverfahrens im Internet und seine Handhabbarkeit. Der Test bei der Landratswahl ist bundesweit die erste Abstimmung zur Vertretung einer Gebietskörperschaft per Mausklick.
07.08.2001 * (FJH)
Der "Behring-Tunnel" sollte nach dem Willen seiner Erfinder den Marbacher WEg vom Autoverkehr entlasten. Das umstrittene Projekt geistert seit fünfzehn Jahren durch die Marburger Kommunalpolitik, will aber glücklicherweise keine rechte Gestalt annehmen. Nun aber entsteht ein anderer Tunnel, der sehr viel mehr Vorteile bietet. Leider existiert aber auch er bisher nur in der Vorstellungswelt. Bürgermeister
Egon Vaupel
(SPD) hat ihn am Montag (6. August) in die Debatte - vorerst einmal der Gremien seiner Partei - eingebracht.
Zu den
Fotos!
Vaupel möchte die
Stadtautobahn
zwischen den Ausfahrten "Marburg-Mitte" am Erlenring und "Marburg-Nord" an der Zimmermannstraße in einen Tunnel legen. Der städtische Baudezernent verspricht sich davon nicht nur eine spürbare Entlastung der Bürger vom Lärm, sondern vor allem die Beseitigung einer hinderlichen Barriere, die die Stadt lautstark durchschneidet.
Völlig neu ist sein Plan nicht. Schon vor fünf Jahren hat der Verkehrsclub Deutschland (VCD) den Abriss der Stadtautobahn gefordert. Während der damalige VCD-Kreisvorsitzende Wulf Hahn den Verkehr aber auf der Panoramastraße über die Lahnberge leiten wollte, geht Vaupel in den untergrund.
Sein Plan hat eine Menge für sich: Autolärm ist eine der schlimmsten Umweltbelastungen Marburgs. Die Stadtautobahn ist mit Sicherheit die häßlichste Bausünde der Stadt. Sie schneidet nicht nur den Ortenberg von der Innenstadt ab; sie zerschneidet die gesamte Stadt. Die schönsten Stellen am Lahnufer mit herrlichem Ausblick auf ein historisches Panorama sind durch die B3A zubetoniert. Der schmale Pfad am Ufer ist wegen des Lärms der unmittelbar benachbarten Autobahn keine touristische Attraktion. Wie schön könnte es hier sein, wäre da nicht dieses häßliche Betonband mitten durch Marburg!
Das hat sich auch Egon Vaupel gedacht, und er hat gehandelt. Fast alle Marburger klagen über die Autobahn, aber keiner tut etwas dagegen. Deswegen verdient Vaupel uneingeschränktes Lob, auch wenn sein Plan leider einen kleinen Pferdefuß hat: Bezahlen müsste dessen Umsetzung der Bund; und die Bundesregierung residiert im fernen Berlin. Da dürfte trotz rot-grüner Koalition an der Lahn wie an der Spree die Parteifreundschaft wahrscheinlich beim Geld enden. Und Genosse "Mehr Volkswagen" ist bekanntermaßen ein erklärter Unterstützer der Automobilindustrie.
Dennoch ist es einen Versuch wert, Vaupels Vorhaben seinen Genossen an der Spree schmackhaft zu machen. Irgendwann muss Deutschland beginnen, die schlimmsten Bausünden der 60er Jahre zu korrigieren. Was einmal in Beton gegossen wurde, muss nicht auf Ewigkeit bleiben!
Der Abriss der Stadtautobahn B3A könnte da ein gutes Signal sein: Auch Verkehrspolitiker sind lernfähig. Oder etwa doch nicht?
Wenn die von Vaupel vorgeschlagene Röhre nicht kommt und die Stadtautobahn bleibt, dann bleiben mit ihr auch Lärm und Umweltzerstörung, dann gucken Marburgs Bürgerinnen und Bürger in die Röhre.
04.08.2001 * (FJH)
"Unfähigkeit" warf die Fraktion der grünen im Marburger Stadtparlamen ihrer "Parteifreundin"
Ulrike Kober
vor. Bei den Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung am 24. August und am 28. September soll die 1. Stadträtin abgewählt werden. Alle Stadtverordneten von Grünen und SPD haben den Abwahlantrag unterzeichnet. Er soll die Bahn freimachen für Franz Kahle als Nachfolger Kobers.
Friedhelm Faechs, Fraktionsvorsitzender der Bürger für Marburg (BFM) überlegt derweil, die Abwahl juristisch zu verhindern. Seine Argumente sind aber in erster Linie politisch motiviert: Die Grünen hätten die Marburger Wählerschaft getäuscht, indem sie Ulrike Kober zur Kommunalwahl am 18. März als spitzenkandidation präsentierten und schon im Mai ihre Abwahl beschlossen. Die finanziellen Folgen der Abwahl widersprächen zudem ihrem Ergebnis nach dem Ansinnen eines Bürgerbegehrens, das die Posten im Magistrat aus Kostengründen auf 3 Hauptamtliche begrenzt hat.
So wird Ulrike Kober zum Spielball politischer Profilneurotiker. Ein menschlicher Umgang in der Politik, den man allen Beteiligten nur wünschen könnte, bleibt indes auf der Strecke. Ebenso auf der Strecke bleibt das Wahlvolk, dem bis heute keine wirklich einleuchtenden Gründe für Kobers Abwahl vorgelegt wurden.
Muss die Dezernentin etwa ihren Hut nehmen, weil sie den SPD-Fraktionsvorsitzenden
Norbert Schüren
bei der Parlamentssitzung am 18. Mai kritisiert hat?
"Majestätsbeleidigung" war schon immer gefährlich. Es scheinen aber eher die Grünen Stadtverordneten zu sein, die die Kritik an ihrem Koalitionspartner erregt hat, als der Angegriffene selbst. Einigen Fraktionsmitgliedern mag sie einen willkommenen Anlass geboten haben, die seit Jahren bei manchem "Parteifreund" unbeliebte Dezernentin abzusägen. Bei manchem mag auch Neid mitgeschwungen haben, erzielte Ulrike Kober bei der Kommunalwahl doch das beste Ergebnis aller Grünen Kandidaten.
Für Außenstehende ist die Gemengelage aus persönlichen Eitelkeiten, politischen Ränkespielen, parlamentarischen Schachzügen und juristischen Drohgebärden kaum noch verständlich. So etwas fördert die vielzitierte Politikverdrossenheit.
Ein fairer und freundlicher Umgang miteinander ist dringend angesagt in der Kommunalpolitik. Aber der fehlt ja auch in anderen Bereichen des Marburger Alltags.
03.08.2001 * (FJH)
Frohe Kunde für Bahnfahrer kam am Donnerstag (2. August) aus Bonn. Sie sollen nach dem Willen der Bundesregierung bald einen Rechtsanspruch auf Schadenersatz bei größeren Verspätungen erhalten. Auch im
Landkreis Marburg-Biedenkopf
soll der Service im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), wie ebenfalls gestern bekannt wurde, verbessert werden: Der Kreis und die
Stadt Marburg
verhandeln über die Gründung einer gemeinsamen Nahverkehrsgesellschaft.
Zum Jahreswechsel waren die
Stadtwerke Marburg
(SWM) von einem kommunalen "Eigenbetrieb" in eine privatrechtliche Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) umgewandelt worden. Innerhalb dieser GmbH soll der Verkehrsbetrieb eine eigenständige Gesellschaft werden. An dieser GmbH möchte sich der Landkreis nun beteiligen.
Grund für das Interesse des Landrats
Robert Fischbach
an einem "Joint Venture" mit den SWM ist ein Gutachten des Landesrechnungshofs. Die Prüfer hatten ausgerechnet, dass eine gemeinsame Gesellschaft des Kreises und der Stadt jedes Jahr 200.000 DM einsparen kann. Diese Kosten fallen beim Regionalen Nahverkehrsverband (RNV) an, der das ÖPNV-Angebot im Kreisgebiet koordiniert.
Mit dem RNV, den SWM, verschiedensten Busgesellschaften, der
Deutschen Bahn AG
(DBAG), dem
Rhein-Main-Verkehrsverbund
(RMV) und den Kommunen im Kreis rühren gewiss allzuviele Köche im Brei des regionalen Nahverkehrs. Der RNV sollte hier eigentlich Überblick schaffen, war aber nur eine weitere Stelle im Wirrwarr der Entscheidungsträger.
Jahrzehntelang war der ÖPNV das Stiefkind der Kommunalpolitik. Als notwendige, aber vielen lästige "Daseinsvorsorge" für die fünf "A" - Alte, Arme, Ausländer, Auszubildende, Asoziale - behandelte man die Kundschaft arrogant von oben herab. Umsteigen auf Bus und Bahn aus Gründen des Umweltschutzes wurde kaum ernsthaft propagiert. Die Öffentlichen Verkehrsmittel waren ja ohnehin nur etwas für "Abgefahrene".
Seit einigen Jahren beginnt sich diese Einstellung nun langsam zu ändern. Noch ist die Kulanz der Bahn bei Störungen gering; noch informiert sie ihre Kundschaft nur sehr unvollkommen; noch hat der Kunde mitunter das Gefühl, die Bahn transportiere nicht Menschen, sondern Sandsäcke; aber die Deutsche Bahn AG hat schon dazugelernt und die Fahrgastinformation verbessert. Ein Rechtsanspruch auf Schadenersatz könnte da sicherlich auch vieles verbessern.
Diesen Anspruch sollten aber nicht nur Bahn- sondern auch Busbenutzer erhalten. Denn auch hier liegt noch vieles im Argen. Die Gründung einer neuen Gesellschaft allein reicht da bei weitem noch nicht aus. Aber sie ist ein erfreulicher erster Schritt. Vielleicht fahren die Stadtbusse dann ja über die Stadtgrenzen hinaus in die Umlandgemeinden. Oder das Anruf-Sammeltaxi (AST) wird auf das gesamte Kreisgebiet ausgedehnt. Es gibt viel zu tun; steigen wir ein!
31.07.2001 *
Der dritte Mann: Sttreit um 2. Kreis-Beigeordneten
©
25.08.2001 by