Text von Freitag, 12. März 2004
Komplizenschaft: Terroranschlag auf den Rechtsstaat | ||
Marburg * (FJH)
Es ist immer das Gleiche: Kaum sind die Bomben explodiert, da kommen sie auch schon aus der Deckung. Sie fordern ein härteres Durchgreifen und eine Verschärfung der Gesetze. So war es nach den Terroraktionen vom 11. September 2001; und so ist es nun auch nach den Bombenanschlägen von Donnerstag (11. März) in Madrid wieder: Deutsche Law-and-Order-Politiker wittern Morgenluft für ihre Positionen zugunsten polizeilicher Maßnahmen. Früher verurteilte man solche Leute als "Kriegsgewinnler". Sie kochen ihr undemokratisches Süppchen auf Mord und Terror. Die grausamen Verbrecher liefern ihnen Argumente für den abbau von freiheitsrechten und einen Ausbau des Polizeistaats. Allen voran schritten der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Hartmut Koschick und CSU-Innenexperte Norbert Geis. Kaum waren Hinweise auf eine Tatbeteiligung des Al-Quaida-Netzwerks aufgetaucht, da forderte Koschick schon schärfe Kontrollen an den Bahnhöfen. Die Video-Überwachung dort müsse verstärkt werden. Auch sollten Personenkontrollen wie auf Flughäfen durchgeführt werden. Sein Fraktionskollege Geis schlug außerdem vor, man solle Ausländer künftig abschieben, wenn nur ein Verdacht bestehe, sie könnten einer terroristischen Vereinigung angehören. Verdächtigungen sind schnell in der Welt, aber schwer widerlegt. Eine unveräußerliche Grundlage des Rechtsstaats ist aber gerade die Unschuldsvermutung bis zum Beweis einer Tatbeteiligung. Koschick und geis wollen den Rechtsstaat aushöhlen. Dabei kommt ihnen der Terror gerade recht. Ob in den Vorortzügen Bomben des Al-Quaida-Netzwerks explodiert sind, Sprengkörper der baskischen Separatisten-Organisation eTA oder ein Zusammenwirken beider Mörderbanden für annähernd 200 Tote verantwortlich ist - in gewisser Weise machen Koschick und Geis gemeinsame Sache mit diesen Verbrechern. sie nutzen den Schrecken aus, um den Schrecken möglichen polizeilichen Terrors dadurch zu verharmlosen. Dabei weiß doch jedes Kind: Gegen Terror ist kein Kraut gewachsen. Auch noch so gute Kontrollen können terror nicht verhindern. Selbst wenn jeder Reisende vor dem Einsteigen in den Zug durchsucht würde, könnten Terroristen immer noch völlig unkontrolliert bis zum Bahnhof gelangen. Ich möchte nicht bei jeder Fahrt nach Frankfurt meine Tasche öffnen müssen. Ich möchte nicht massenweise Polizeibeamten auf dem Marburger Hauptbahnhof begegnen. Sie sollen sich vielmehr um die Aufklärung von Straftaten und die Suche nach den Tätern kümmern. Wenn es gegen den Terror überhaupt eine Chance gibt, dann ist es der Versuch, das gewaltbereite Umfeld der Terror-Gruppen auszutrocknen. Dafür wären aber eine gerechtere Verteilung des reichtums in der Welt wie auch eine sozial gerechtere Politik in Deutschland vonnöten. Auch beim Terrorismus gilt die schon 122 Jahre alte Erkenntnis des Marburger Kriminologen Franz-Eduard von Liszt: "Die beste Kriminalpolitik ist eine gute Sozialpolitik!" Ihr Kommentar |
© 2003 by fjh-Journalistenbüro, D-35037 Marburg