Text von Samstag, 31. Dezember 2005
Politik 2005: Wechsel, Streit und Solidarität | ||
Marburg * (fjh)
Auch die Ereignisse im Jahr 2005 lässt die marburgnews-Redaktion zum Jahreswechsel wieder Revue passieren. Der Jahresrückblick konzentriert sich dabei auf die Stadt Marburg und alles, was die Menschen in der mittelhessischen Metropole bewegt hat. Unterteilt ist er in die Bereiche "Politik", "Kultur", "Soziales" und "Bildung". Politisch ist in Marburg im Sommer eine Ära zu Ende gegangen. Nach zwölf Jahren im Amt des Oberbürgermeisters trat Dietrich Möller (CDU) am 1. Juli seinen wohlverdienten Ruhestand an. Zu seinem Nachfolger hatten die Stimmberechtigten am Sonntag (30. Januar) bereits seinen langjährigen Stellvertreter Egon Vaupel (SPD) gewählt. Den neuen Oberbürgermeister erwartetete sogleich ein größerer Konflikt: Gegen den geplanten Bau und Betrieb eines Bordells an der Siemensstraße hatte sich eine "Bürgerinitiative gegen ein Großbordell in Marburg-Wehrda" gegründet. Mit einem Rechtsgutachten ihres Anwalts Dr. Peter Hauck-Scholz zeigte sie der Stadt Marburg insgesamt 18 Punkte auf, wie das Bordell rechlich korrekt zu verhindern wäre. Dennoch genehmigte Vaupel das Projekt. Das Gutachten der BI - so erklärte er - habe keine neuen Gesichtspunkte aufgezeigt. Nun bereiten sich die Marburger Politiker auf die Kommunalwahl am Sonntag (26. März) vor. Dabei können die Wahlberechtigten wieder kumulieren und panaschieren. So ist die Entscheidung eher eine Persönlichkeitswahl als eine Listenwahl. Ganz auf seine Persönlichkeit zugespitzt hatte auch der bisherige Bundeskanzler Gerhard Schröder seinen Wahlkampf. Überraschend hatte er nach dem Wahldebakel in Nordrhein-Westfalen Neuwahlen ausgerufen. Kaum jemand hatte geglaubt, dass eine Kanzlerin Angela Merkel nun noch zu verhindern wäre. PDS und Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) schlossen sich dennoch schnell zur neuen "Linkspartei" zusammen. Doch kam alles anders als erwartet. Für die beiden großen Parteien war das Ergebnis des Urnengangs am Sonntag (18. September) ernüchternd: Beide konnten keine Regierung ohne die jeweils andere Partei gründen. Nach einigen Diskussionsversuchen über "Schwampel" oder "Jamaika-Koalition" stand das bald fest. Und so schmiedeten Angela Merkel (CDU), Franz Müntefering (SPD) und Edmund Stoiber (CSU) eine Große Koalition. Sperrfeuer in der SPD gegen den selbstherrlichen Führungsstil Münteferings nahm Stoiber dann kurzentschlossen zum Anlass, sich wieder nach München zurückzuziehen. Doch auch dort schlug ihm nun widerwillen entgegen. Nicht umsonst bekannte er: "Ich leide wie ein Hund!" Das Leiden ist aber auch anderswo auf der Welt nicht weniger geworden. Das Jahr 2005 war geprägt von Naturkatastrophen, Terror und Krieg. Zu Jahresbeginn waren es vor allem die verheerenden Folgen des Tsunami im Indischen Ozean, die die Welt erschütterten. Eine riesige Welle der Spendenbereitschaft war die Antwort auf die gigantische Welle der Vernichtung am 26. Dezember 2004. Nun arbeiten auch deutsche Wissenschaftler an einem Tsunami-Frühwarnsystem für die Region. Vorgewarnt waren die Behörden in New Orleans, als der Hurrikan "Katrina" im August die Stadt am Mississippi überflutete. Die Deiche waren dennoch nicht repariert worden. Nur schleppend lief die Hilfe für die - überwiegend dunkelhäutige - Bevölkerung an. Die Umfrage-Werte des US-Präsidenten George W. Bush sanken daraufhin in den Keller. Ein schweres Erdbeben in Pakistan und Indien erschütterte Anfang Oktober vor allem die umstrittene Grenzregion Kaschmir. Nur mit mühe konnten die Helfer in die unwegsamen Bergregionen des Himalaya vordringen. Auch deutsche Hubschrauber flogen unentwegt mit Lebenshitteln und Zelten in die Berge. Die Sammmlung für die Erdbebenhilfe fiel aber angesichts der vorherigen Katastroophen nur noch relativ mager aus. Deswegen fürcht3en Experten hier noch böse Langzeit-Folgen durch Erfrierungen und Versorgungs-Engpässe. Den Krieg im Sudan nahm die deutsche Öffentlichkeit kaum noch zur Kenntnis. Reiter-Milizen verbreiteten in der Provinz Dafur - anscheinend mit Duldung der Zentralregierung - Angst und Schrecken. Wesentlich erschütterter zeigte sich die deutsche Bevölkerung nach drei zeitgleichen Attentaten auf die Londoner U-Bahn und einen Sprengstoffanschlag auf einen Linienbus am 7. Juli. Wieder einmal hatte das islamistische Terror-Netzwerk "Al Kaida" zugeschlagen. Im Marburger Studentendorf wurde im Mai ein mutmaßlicher Unterstützer dieser Gruppe verhaftet.Ihn hat Generalbundesanwalt Kai Nehm am Dienstag (6. Dezember) wegen Unterstützung einer Kriminellen Vereinigung angeklagt. Zur Erleichterung der Bevölkkerung blieb der islamistische Terror bisher jedoch weit weg von Deutschland. An tägliche Terroranschläge im Irak, Terror in Afghanistan und Israel hat sich die Welt dagegen schon gewöhnt. Im Libanon versuchte der deutsche Ermittler Detlev Melis im Auftrag der Vereinten Nationen (UN), den Mordanschlag auf Hariri aufzuklären. Dennoch fiel ein weiterer Syrien-kritischer Politiker einem Anschlag zum Opfer. Eine Entführung schreckte die Deutschen auf: Die 43-jährige Archäologin Susanne Osthoff war am Freitag (25. November) im Irak verschleppt worden. Auch die Stadt Marburg setzte sich für ihre Freilassung ein. So endete die Entführung der deutschen Muslima am Sonntag (18. Dezember) schließlich glimpflich. Zu diesem Fall hatte er noch die "Vollkasko-Mentalität der Deutschen" kritisiert, die in solchen Fällen alle erdenkliche Unterstützung ihrer Regierung erwarten. Nur wenige Tage später wurde der ehemalige Staatssekretär Jürgen Chrobog selbst Opfer einer Entführung. Gemeinsam mit seiner Frau und drei erwachsenen Söhnen wurde er am Mittwoch (28. Dezember) im Yemen verschleppt. Dabei hatte er sich an alle Sicherheitsrichtlinien ehalten, die die Bundesregierung zum Yemen herausgegeben hat. Und Chrobog war Gast des Stellvertretenden Yemenitischen Außenministers! Nachdem ihre Freilassung bereits für Freitag (30. Dezember) angekündigt und dann doch wieder verschoben worden war, meldete Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier am Samstag (31. Dezember) kurz nach 15 Uhr die Freilassung der fünfköpfigen Familie. Ein erfreuliches Ereignis hatten die Deutschen aber auch zu vermelden, wenngleich es das protestantische Marburg kaum betroffen hat: "Wir sind Papst!" So titetlte die Bild-Zeitung, nachdem Josef Kardinal Ratzinger zumOberhaupt der Katholischen Kirche gewählt worden war. Prompt stieg der Wert seiner ehemaligen Autos bei e-Bay astronomisch an. Doch insgesamt gilt: Die Welt wird immer unsicherer. Niemand weiß wirklich, was morgen wird. Und so sehen viele mit gemischten Gefühlen in das Neue Jahr. Dabei hat es doch gute Chancen, besser zu werden als das alte! | ||
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